Die Geister von Rosehill: Roman (German Edition)
bewahren, indem ich mich ganz auf meinen Rundgang durch das Museum konzentrierte.
XII
Ein Museumsrundgang war für mich wie eine Busreise für einen Busfahrer – ich mußte einfach alles mit kritischem, fachkundigem Blick betrachten.
Automatisch beurteilte ich jede Einzelheit der Gestaltung: Waren die Übergänge von einer Abteilung in die andere fließend? Fühlte sich der Fußboden beim Gehen und Stehen angenehm an, oder taten einem schon nach der Hälfte der Besichtigung die Knie weh? War die Beschriftung gut leserlich, sauber und genau ausgeführt? Und waren die Ausstellungsstücke selbst gut präsentiert und ausreichend geschützt? Besonders dem letzten Punkt galt mein leidenschaftliches Interesse.
In Paris war mir mein erster und einziger Besuch im Louvre von den Fenstern verdorben worden – es gab dort reihenweise wunderbare hohe Fenster, durch die das gefährliche Sonnenlicht direkt auf die Gemälde von unschätzbarem Wert an den gegenüberliegenden Wänden fallen konnte. Und ich hatte mich nie ganz von dem Entsetzen über die vielen Blitzlichter vor der Mona Lisa erholt, die hemmungslos eingesetzt wurden, als der Aufsichtsbeamte, dessen Aufgabe es war, die Anweisung »pas de flash« herunterzuleiern, in seine Mittagspause gegangen war. All diese Touristen mit ihren Blitzlichtern und ihrer unglaublichen Ignoranz, die das Gemälde mit der gleichen tödlichen Sicherheit zerstörten, als würden sie es mit einem Messer aufschlitzen – und das nur für einen Schnappschuß, der nicht im entferntesten an die Qualität der Postkarten heranreichen würde, die man für wenig Geld im Museumsladen kaufen konnte!
Normalerweise versuchte ich Museumsbesuche zu vermeiden, wenn es keine beruflichen Gründe dafür gab.
Aber in diesem Fall lagen die Dinge anders. Ich würde länger an diesem Ort bleiben und die gesamte Ausgrabungssaison auf Rosehill verbringen, also fing ich am besten rechtzeitig an, mich mit der Lokalgeschichte zu befassen. Und zu meiner großen Erleichterung stellte ich fest, daß es nichts gab, worüber ich mich hätte aufregen müssen. Die Vergangenheit der Stadt war mit großer Fachkenntnis in einer klaren und übersichtlichen Abfolge von Informationstafeln und Ausstellungsstücken aufbereitet worden.
Gutsherren und jakobinische Verschwörer, Bootsbauer und Schmuggler, Männer, die die Nordsee nach Heringen abfischten, und Fischersfrauen, deren Aufgabe es war, den Fang auszunehmen und einzusalzen – sie alle hatten ihren Platz im Museum von Eyemouth. Zusätzlich hatte man noch Raum für den einen oder anderen Außenseiter und Sonderfall geschaffen.
Davids Mutter blieb neben mir vor einer Tafel stehen. »Und das hier erinnert natürlich an den Tag, an dem der Barde selbst hierherkam, um den Royal Arch-Mason – das ist ein hoher Freimaurergrad – verliehen zu bekommen.«
Ich hob erstaunt die Augenbrauen. »Was, Shakespeare war hier?«
»Robbie Burns, Sie Heidin«, klärte sie mich auf und rollte in gutmütiger Verzweiflung über meine englische Ignoranz die Augen. »Er ist nämlich unser Nationaldichter.«
Jeannie fand, es sei ein Wunder, daß Robert Burns den Besuch überlebt habe. »Einfach in ein Schmugglernest wie Eyemouth zu kommen, und noch dazu als Steuereinnehmer.«
Ich vermutete, daß selbst Schmuggler einigen Respekt vor dem Genie empfunden hatten. Das Bild des Dichters befand sich in der stolzen Gesellschaft von Fischernetzen, Heringstonnen und einer riesigen Kanonenkugel, auf die Jeannie lächelnd aufmerksam machte. »Die kam vom Fort herübergeflogen.«
»Und wo ist das Fort?«
»Dort drüben«, sagte sie und deutete vage in die Richtung der Küste. »Oben auf den Klippen am Ende des Strands. Du kannst es vom Parkplatz aus sehen.«
»Es ist aber keine römische Festung, nehme ich an?«
»Sie stammt aus der Tudorzeit«, sagte Nancy Fortune. »Wurde in den Tagen des Kinderkönigs Edward von England erbaut und unter Elizabeth wieder abgerissen. Franzosen und Engländer haben mit uns darum gekämpft, so daß man heute nicht mehr sagen kann, aus wessen Kanone diese Kugel stammt.«
Jeannie blickte auf die schwere Eisenkugel hinunter. »Die beiden Kanonen, die noch dort oben stehen, sind aber nicht aus der Tudorzeit, oder?«
»Nein, die Leute haben sie zur Zeit der Gefahr einer französischen Invasion dort aufgestellt, in der Mitte des letzten Jahrhunderts.«
Die Furcht vor Invasion hatte durch viele Zeiten hindurch diesen Küstenstreifen beherrscht, ging es mir durch den
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