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Die Geister von Rosehill: Roman (German Edition)

Die Geister von Rosehill: Roman (German Edition)

Titel: Die Geister von Rosehill: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanna Kearsley
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klammerten sich zwei Fischer mit furchtverzerrten Gesichtern verzweifelt an die Taue ihres sinkenden Bootes und versuchten, es an Land zu ziehen.
    »Ganze Boote wurden emporgeschleudert, die Maste abgeknickt und die Segel in Fetzen gerissen, und die Wellen rissen diejenigen, die sich schon in Hafennähe befanden, mit sich und schmetterten sie gegen die Felsen. Die Menschen am Strand versuchten alles, was in ihrer Macht stand, warfen Leinen aus, bildeten Menschenketten und versuchten, die Hände der untergehenden Männer zu ergreifen, aber die Brecher begruben sie unter sich und spülten sie davon.«
    Ich starrte wie gebannt auf den zweiten Abschnitt des Teppichs, der in einer eher symbolischen Darstellung der Tragödie sieben kindhafte Gestalten zeigte, die um die Umrisse eines Bootes verstreut waren und von Klippen, die wehklagende menschliche Gesichter trugen, überragt wurden. »Wie schrecklich.«
    »Allerdings. Einhundertneunundachtzig Männer starben bei dem Unglück, Männer aus allen vier Häfen der Gegend – Burnmouth, Cove, Saint Abb’s und Eyemouth. Das zeigen die vier Karten hier auf dem dritten Abschnitt. Und dieses Stück Kaimauer hier enthält einen Stein für jeden Mann, den Eyemouth damals verloren hat. Einhundertneunundzwanzig Steine. Die Hälfte aller erwachsenen Männer der Stadt, alle an einem Tag umgekommen. Das war der Tribut, den das große Unglück forderte … am vierzehnten Oktober 1881.«
    Mit großer Sorgfalt waren die Namen aller Fischer, die bei der Katastrophe ums Leben gekommen waren, sowie die Namen ihrer Boote in den Teppich eingestickt worden. Es war ein erschütterndes Dokument.
    Tiefbewegt stand ich einen Moment lang schweigend davor und dachte über die Ironie der Geschichte nach. Wenn Quinnell mit seiner Theorie richtig lag, hatte vor fast zweitausend Jahren hier am selben Ort eine andere Gruppe von Männern ihr unglückliches Ende gefunden – Männer, die eine andere Sprache gesprochen und einem anderen Gott gedient hatten, die aber ebenso wie die Fischer von Eyemouth ihre Träume, ihre Frauen, Mütter und Kinder gehabt hatten.
    Und die Schattenpferde hatten sowohl die einen als auch die anderen geholt und in das Land der Toten getragen. Plötzlich überkam mich eine undefinierbare Ahnung von etwas Bösem, von einer dunklen, rächenden Kraft, die alle, die ihren Weg kreuzten, ob zu Land oder zur See, in einen Hinterhalt lockte und vernichtete, immer wieder, durch die Jahrhunderte hindurch.
    Für einen Moment lastete eine bedrückende Stimmung auf mir, doch dann stieß mich Jeannie sachte mit dem Ellbogen vorwärts ins Tageslicht. Ich schüttelte die düstere Vision ab und kehrte dem Wandteppich und den entsetzten Blicken der ertrinkenden Männer darauf den Rücken.
    Der Himmel hatte ein wenig aufgeklart, als Jeannie und ich schließlich das Museum verließen. Auf dem Parkplatz stand Wally Tyler und wartete offenbar auf uns.
    Er schnippte seine Zigarette weg, als er uns kommen sah, und Kip, der neben ihm gesessen hatte, sprang freudig auf. Hinter ihnen konnte ich durch den Dunst die dunkle Silhouette des langgestreckten Felsvorsprungs, auf dem die Festung gestanden hatte, erkennen. An seinem Fuß peitschte der feuchte, salzgesättigte Wind, der einen bis ins Mark hinein frösteln ließ, weißschäumende Wellen auf.
    »Hey«, begrüßte Jeannie ihren Vater. »Wo ist Robbie?«
    »Liegt im Auto und schläft.«
    »Du hast ihn müde gemacht, stimmt’s? Wo wart ihr denn?«
    »Hier und da. Hab ein paar Pints getrunken mit Deid-Banes.«
    »Oh. Na, dann wollen wir euch beide mal lieber nach Hause schaffen.«
    Der nässetriefende Collie verströmte einen äußerst intensiven Geruch im Auto, und Jeannie zog die Nase kraus. »Och, Kip, du stinkst.«
    Sie sagte minging für »stinken«, aber diesen Ausdruck brauchte ich nicht im Wörterbuch nachzusehen, die Bedeutung stieg mir in die Nase. Mit Deid-Banes dagegen war es etwas anderes. Ich blätterte unauffällig in meinem Büchlein und übersetzte es schließlich mit den genauso unverständlichen englischen Worten »dead bones«, tote Knochen.
    Jeannie sah in den Rückspiegel und fixierte ihren Vater mit einem strengen, vorwurfsvollen Blick. »Granny Nan hat heute morgen eine Zigarette geraucht.«
    »Oh, tatsächlich?«
    »Und du hast sie ihr gegeben, stimmt’s?«
    Der alte Mann zuckte unschuldig die Achseln. »Vielleicht hab ich irgendwo eine liegenlassen, und sie hat sie gefunden.«
    »Aber Dad, der Arzt hat gesagt …«
    »Ich

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