Die Geister von Rosehill: Roman (German Edition)
eine Runde zu drehen.«
Peters Wohnzimmer kam nicht in Frage, weil dort Adrian noch tief und fest schlief. Aber auf der anderen Seite der Halle bot das feine Wohnzimmer Wärme und Licht und ein glühendes Gasfeuer. Ich zog mir einen Sessel vor den Kamin, streckte die Beine aus und überredete die Katze mit Lockrufen, sich wieder auf mir niederzulassen. Mit einem wenig vertrauensvollen Blick begab sich Charlie auf meinen Schoß und schlief sofort ein, die kleinen scharfen Krallen vorsorglich in den Stoff meiner Jeans gegraben.
Die Zeit schlich dahin.
Ich lehnte den Kopf zurück und zählte die Minuten auf der Kaminuhr mit, einem großen vergoldeten Prunkstück mit einschläferndem Ticken. Eine weitere halbe Stunde war vorüber, als ich plötzlich das helle Licht von Scheinwerfern in der Auffahrt bemerkte und kurz darauf eine Wagentür über dem Geräusch des beständig heulenden Windes zuschlagen hörte. Die Vordertür öffnete und schloß sich. Leichte, gemessene Schritte durchquerten die Eingangshalle und kamen in der Tür hinter mir zum Stehen.
»Mein liebes Mädchen«, sagte Peter Quinnell, und seine tiefe Stimme verriet gedämpfte Überraschung und tiefe Erschöpfung. »Sie sollten längst im Bett sein.«
Ich drehte mich langsam in meinem Sessel um, um die schlummernde Katze nicht wieder zu stören. »Ich konnte nicht schlafen.« Sein Gesicht sieht grau aus, dachte ich, und beängstigend alt, so daß ich mit einigem Zögern fragte: »Wie geht es ihr?«
»Nancy? Sie ruht und wird sich wieder erholen, sagen die Ärzte, aber das sagen sie immer, nicht wahr?« Er rieb sich mit müder Hand die Sorge von der Stirn und ging zur Hausbar hinüber. »Kann ich Ihnen etwas eingießen? Einen Brandy vielleicht? Das ist eine gute Medizin gegen schlaflose Nächte.«
Er schenkte uns ein, ließ seine lange Gestalt in den Sessel neben mir sinken und starrte einen langen Moment schweigend in den Kamin. »Sie haben das Feuer angemacht«, sagte er schließlich.
»Ja. Mir war kalt.«
»Tatsächlich? Es ist das Haus, nehme ich an. Alte Häuser spüren die Kälte mehr, genau wie alte Menschen.« Er lehnte sich mit halb geschlossenen Augen zurück, und Stille breitete sich aus, bis ich sie mit einem Hüsteln unterbrach.
»David hat Sie also gefunden, ja?«
»Wie?« Er sah mich von der Seite an, offenbar ohne mich zuerst wirklich wahrzunehmen, und schien sich dann zusammenzureißen. »O ja. Ja, er hat mich gefunden. Er ist eine große Hilfe, dieser Junge. Ein guter Sohn. Es würde mich nicht wundern, wenn er die ganze Nacht bei ihr bliebe.«
»Es muß ein furchtbarer Schreck für ihn gewesen sein.« Ich sah in sein Gesicht und verbesserte mich. »Für Sie beide.«
»Ja, und es ist nicht das erste Mal.« Quinnell schwenkte seinen Brandy im Glas und drehte sich wieder dem Feuer zu. »Das ist ihr dritter Anfall, wissen Sie. Sie hat nie auf die Ärzte hören wollen. Seit Jahren schon sagen sie ihr, sie solle sich schonen, sich im Haushalt helfen lassen. Aber sie ist eine sture Frau, diese Nancy Fortune. Sie denkt immer noch, sie kann alles selbst erledigen.«
Er lächelte matt und schüttelte den Kopf. »Wir haben sie früher immer Henny genannt, nach der kleinen roten Henne in der Kindergeschichte. ›Ich kann das selbst tun‹, sagte sie ständig. Und dann machte sie es auch noch verdammt gut, egal, was sie anfaßte. Sie schaffte stets alles, was sie sich vorgenommen hatte.«
Ich hörte den Stolz, der in seinen Worten mitschwang, und warf ihm einen neugierigen Blick zu. »Es muß ein großer Verlust für Sie gewesen sein, als sie Sie verließ.«
»Ein furchtbarer Verlust«, bestätigte er. »Furchtbar. Aber sie hatte ihre Gründe.«
»Davids Vater.«
»Ja.« Er lächelte wieder, ein wenig traurig diesmal. »Ich fürchte, ich habe mich sehr ungnädig verhalten in der ganzen Geschichte. Ich habe es ihr nie ganz verziehen, daß sie von mir wegging, aber mit der Zeit lernte ich, sie zu verstehen. Die Zeit«, erklärte er mir, »macht uns allen das Geschenk, die Dinge im richtigen Verhältnis sehen zu können.«
Natürlich, dachte ich, er hat seitdem noch viel mehr verloren. Seine Frau wahrscheinlich … sie mußte tot sein, weil Peter sie nie erwähnte. Seinen Sohn. Er hatte sie beide verloren. Wie tragisch.
Ich suchte nach einer passenden Bemerkung, aber mir fiel nichts ein.
Hinter uns in der Halle knarrten auf einmal die Dielen. Meine Schultern versteiften sich in plötzlicher, dummer Angst und entspannten sich dann
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