Die Geister von Rosehill: Roman (German Edition)
wieder, als Adrian mit schläfriger Stimme sagte: »Ach, da seid ihr. Ich habe eure Stimmen gehört.«
Er schlurfte zur Hausbar hinüber und strich sich über das zerwühlte Haar, was aber nicht viel nützte. Er sah aus, als hätte er sich gerade mit jemandem im Bett herumgewälzt, seine Füße und seine Brust waren nackt, das Hemd hatte er nur locker übergeworfen, und der oberste Knopf seiner Jeans stand offen.
Quinnell blickte mich mit elegant emporgezogener Augenbraue an, worauf ich die Situation hastig erklärte, damit er keinen falschen Eindruck bekam. »Er hat mir noch ein wenig Gesellschaft geleistet und ist dann auf dem Sofa eingeschlafen.«
Adrian grinste breit. »Was sie sagen will, ist, daß ich mich anständig benommen habe, auch wenn es im Moment nicht den Anschein hat. Aber wenn Sie mich hier auch gestrandet zurücklassen …«
Die Augenbraue senkte sich. »Ach so, Ihr Wagen. Ich muß mich wirklich entschuldigen, mein lieber Junge. Ich konnte die Schlüssel zum Range Rover nicht finden. Fabia legt sie immer an den unmöglichsten Stellen ab. Und als ich im Rover selbst nachsehen wollte, stand Ihr Wagen daneben, und die Schlüssel steckten im Zündschloß, daher …« Er breitete die Hände aus und bat lächelnd um Verzeihung. »Meine Gedanken waren in dem Moment nicht sehr klar.«
Adrian schüttete sich einen Fingerbreit Gin in ein Glas und zuckte großmütig mit den Achseln. »Ist ja kein Schaden entstanden. Für mich jedenfalls nicht. Der arme Brian McMorran hat allerdings einen kleinen Schock erlitten. Sie hätten ihn beinahe überfahren.«
»Habe ich das?« Quinnell zog leicht die Stirn in Falten und versuchte, sich zu erinnern.
»Ja, richtig, jetzt fällt’s mir wieder ein, daß da etwas in die Büsche sprang … das war Brian? Habe ich ihn etwa ernsthaft verletzt?«
Adrian schüttelte den Kopf. »Er ist nur ziemlich erschrocken.«
»Ach so.« Die charmante Stimme klang in meinen Ohren etwas enttäuscht. »Schenken Sie mir doch bitte noch einen Brandy ein, mein Junge.« Er reichte Adrian sein leeres Glas und wandte sich dann mit erwartungsvoller Miene an mich. »Und da ich euch nun schon beide hier habe, seid ihr vielleicht so gut und erzählt mir, was ihr alle heute nacht dort draußen auf dem Feld zu suchen hattet.«
Adrian drehte sich wie in Zeitlupe zu uns um.
Der schwarze Kater Murphy erschien, durch unsere Stimmen angelockt, plötzlich in der Tür. Nach kurzem Zögern tapste er über den Teppich und sprang mit müheloser Leichtigkeit auf die Armlehne von Quinnells Sessel. Sonst rührte sich nichts.
Ich sah Adrian unsicher an, worauf er sich lässig gegen die Hausbar lehnte und seinem Gesicht einen gespielt verständnislosen Ausdruck gab. »Wie bitte?«
»Nun kommt schon«, sagte Quinnell und nahm den Brandy aus Adrians ausgestreckter Hand entgegen. »Ich bin vielleicht ein alter Mann, aber ich bin noch nicht völlig senil.« Seine Augen wanderten abwartend zwischen uns beiden hin und her. »Also, was hat der Wächter gesagt?«
XX
»Sie ham’s ihm gesagt.« Wally Tyler fragte nicht, er traf eine Feststellung. Bedächtig zündete er sich eine Zigarette an und nickte wie ein Weiser aus alter Zeit, der ein Urteil verkündete. »Ist gut so. Wird ihn ein bißchen von Nancy ablenken, hoffentlich.«
Ich setzte mich neben ihn auf die niedrige Steinmauer, die den kleinen vernachlässigten Garten neben dem Haus einfriedete, und sah zu, wie er Stöckchen für Kip warf.
Es war bereits früher Nachmittag, und der Schatten der Sonnenuhr in der Mitte des Gartens zeigte die beschämende Tatsache an, daß ich den halben Tag verschlafen hatte. Allerdings hatte ich auch nicht anders gekonnt. Als ich schließlich irgendwann nach Morgengrauen ins Bett gegangen war, hatte der Schlaf unerbittlich sein Recht gefordert und mich nicht so bald wieder freigegeben. Aber ich bedauerte es ein wenig, einen sicherlich wunderbaren Morgen verpaßt zu haben.
Ohne den Wind wäre es jetzt in der Sonne richtig heiß gewesen, und selbst mein schlichter, nur aus Jeans und T-Shirt bestehender Aufzug schien schon zu warm. Der Frühling war beinahe unmerklich in den Sommer übergegangen. Samstag kommender Woche würden wir schon Juni haben, womit uns aber immerhin noch drei volle Monate der Ausgrabungssaison blieben. Zeit genug, unsere Theorie zu beweisen. Unsere Theorie … Ich mußte lächeln und rieb mir mit der Hand über die müden Augen. Als ich hier angefangen hatte, hatte ich sie ausschließlich als
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