Die Geisterseherin (German Edition)
ein solches Opfer bringen, wie er es tat!“
„Du lügst...!“, warf Megumi plötzlich ein.
„Er lebt mein Leben, trägt meine Sachen... ist das nicht Beweis genug!?“
„Denk doch mal nach, Megumi... Du warst doch als Geist stets dabei, auch wenn du Augen und Ohren vor der Wahrheit verschlossen hattest! Er nennt sich doch noch immer Yuki. Auch, wenn er eine Maskerade trägt, damit er deiner Mutter helfen kann... er ist und bleibt dein Bruder. Er tut nicht so, als wäre er du. Er schlüpft nur in deine Kleidung um eurer Mutter zu helfen... kannst du ihn wirklich dafür hassen...?“
Ihr Fuß glitt durch Megumi hindurch und berührte den Boden unter ihr.
Sie sprach weiter: „Megumi... kannst du den Bruder hassen, der nichts als Liebe für dich empfindet? Dem die Familie das Wichtigste auf der ganzen Welt ist?“
Megumi schwebte ein Stück über dem Boden, daher zog Mikoto jetzt ihren Fuß zurück. Sie spürte keine Angriffslust mehr von ihr ausgehen, daher entspannte sie sich etwas, behielt Megumi aber dennoch im Auge.
„Jeder versucht nur zu leben, aber wenige versuchen auch anderen dabei zu helfen. Manchmal reichen kleine Gesten, aber ab und an muss man wirklich zu drastischeren Mitteln greifen. Dennoch bedeutet es nicht, dass man die Wahrheit vergisst.“
Sie stockte kurz, es sah ihr gar nicht ähnlich solche Reden zu schwingen.
„Megumi, du musst endlich deine Augen öffnen und verstehen... lernen los zu lassen... eure Geschichte war doch bereits tragisch genug, hat das Leben von einer ganzen Familie für immer verändert, muss man da noch auf eine solche Art seinen Hass auf sie projizieren? Wäre es dir lieber gewesen, wenn deine Mutter für immer in einer Irrenanstalt geblieben wäre?“
Die leeren Geister-Augen von Megumi bekamen wieder Leben... ein gewisses Funkeln und sie war zurück auf Stufe 2...
Erleichtert atmete Mikoto auf.
„Vielleicht... vielleicht hast du Recht. Aber es tut immer so weh, wenn ich Yuki sehe... dann überkommt mich der Zorn und ich... ich tue Dinge, die ich normalerweise nicht tun würde.“
„Das verstehe ich, Megumi.“
„Ich weiß nicht... ob ich einfach so verschwinden kann.“ „Kannst du das Licht denn nicht mehr sehen?“
Der Geist wandte seinen Blick zu Mikoto, welche ihr Schwert aus dem Boden gezogen hatte und es nun mit dem Befehl „Verschwinde“ zurück in ihr Zimmer schickte.
„Das Licht...?“
„Die andere Seite, Megumi. Du musst hinübergehen, sonst wirst du immer und immer wieder vom Hass zerfressen. Ich selbst kenne es nicht, doch ein Geist erzählte mir einst davon. Meines Wissens nach, seht ihr ein Leuchten, dem ihr folgen müsst. Je länger ihr hier bleibt, desto kleiner wird dieses Leuchten, doch wenn ihr ihm folgt, dann gelangt ihr zum Rad des Schicksals und habt die Chance auf eine Wiedergeburt.“
„Ich... ich sehe ein Funkeln in der Ferne.“
Lediglich ein Funkeln, Q'nqüra schien Recht zu haben, als sie sagte, dass es hier schwerer war auf die andere Seite zu gehen. Oder lag es nur daran, dass Megumi so viele Jahre als Geist gelebt und sich vom Licht entfernt hatte?
„Soll ich deinem Bruder denn noch etwas ausrichten, Megumi? Eine Botschaft für ihn?“
Sie hatte ihren Blick in eine Richtung fixiert, vermutlich in die Richtung, aus der sie das Funkeln sah und schien in Gedanken verloren. Erst nach einer ganzen Weile richtete sie ihren Blick wieder auf Mikoto und sagte: „Es tut mir leid... dass er Mutter alleine helfen muss...“
„Ich werde ihm das ausrichten.“
„Mikoto, so war doch dein Name, oder?“
Die Geisterseherin nickte.
„Ich wünschte, dass ich dir irgendwie danken könnte... aber leider... du siehst es ja. Ich bin tot und kann dir nichts mehr anbieten.“ Megumi lächelte traurig.
Mikoto fiel aber etwas ein, etwas, dass sie noch wissen wollte, bevor Megumi verschwinden würde: „Du weißt nichts darüber, wie du gestorben bist, damals vor vier Jahren...?“
Leider schüttelte Megumi nur traurig den Kopf.
„Ich erinnere mich an nichts mehr von diesem Tag. Es ist alles weg, meine letzte Erinnerung ist vom Abend zuvor, als ich ins Bett ging und Yuki noch einen Scherz machte.“
„Das ist schade, aber da kann man wohl nichts machen...“ „Es tut mir wirklich leid, aber hätte ich gewusst, wer oder was mich getötet hat, dann hätte dies wohl auch nichts geändert... Tot ist tot, egal wie man stirbt.“
Damit verschwand sie vor Mikoto's Augen.
„Tot ist tot... das sehe ich aber anders.“, antwortete Mikoto, doch ihre Worte
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