Die Geisterseherin (German Edition)
in dieser. Ein klein wenig beneidete Mikoto sie für dieses Talent zum Multitasking. „Wenn Sie doch einen Verdächtigen finden, dann konfrontieren Sie diese Person halt. Werden Sie attackiert, dann haben Sie den Richtigen. So einfach ist das, dafür brauchen Sie mich nicht.“ „Das geht nicht, Mikoto. Du vergisst, dass ich die Herrin der Zeit bin und kein Mensch, wie du. Da ich diesen Status inne habe, sehe ich die Welt nicht mit den Augen des Körpers, den du hier siehst, sondern nur durch die Bücher, welche eure Leben erzählen. In dem Moment, in dem ich mich einer der Personen nähere, deren Bücher für mich nicht lesbar sind, verliere ich jeglichen Bezug zu dem Ort und der Person.“ „Sie sterben also?“, schlussfolgerte Mikoto. „Das ist ja drastisch...“ „Nein, nicht sterben... ich müsste lediglich ein anderes Buch nutzen, dass ich lesen kann. Ich kann nicht sterben, Mikoto... nicht als Herrin der Zeit jedenfalls. Einer der vielen Flüche, die mein Job so mit sich bringt.“
Mikoto unterbrach Q'nqüra mit einer Handbewegung.
„Ja, ja... was auch immer. Das war alles, was ich Ihnen erzählen wollte. Jetzt sind wir quitt. Leben Sie wohl, wir zwei werden uns nicht mehr wiedersehen... zumindest ich werde Sie wohl nicht wiedersehen.“
Damit stand Mikoto auf und verließ das Haus, schlug den kürzesten Weg nach Hause ein.
„Hmm... etwas sagt mir, dass wir nicht das letzte Mal zusammengearbeitet haben... Mikoto. Du vergisst, dass dein Vater mich engagiert hat und außerdem...“
Q'nqüra schlug eine weitere Akte auf und las ihren Titel. „... dürfte dich dieser Fall ebenfalls interessieren.“
Ein Mord ohne Mörder
Akt 2
„Hier irgendwo muss sie sein, hier sollte ich sie finden können.“ Seine Augen blickten umher, leere Gänge, so weit das Auge reichte. Dann...
„Dieses Mädchen... so spät noch hier... ja, sie muss es sein. Die Richtige... ihr Tod wird uns helfen und den Übergang öffnen. Noch einmal wird uns dies nicht passieren.“
Samstag Morgen, wie jede gute japanische Schule, die etwas auf sich hielt, gab es auch an der Ichihara High am Samstag Morgen Unterricht. Dieser wurde zwar durch einen Gesetzesentwurf der japanischen Regierung vor gar nicht allzu langer Zeit abgeschafft, doch das hatte einen so großen Proteststurm der Eltern ausgelöst, dass die meisten Schulen dennoch Samstags Unterricht anboten. Wobei dies vor allem bei privaten Schulen der Fall war, während die öffentlichen sich meist dem Gesetz fügten.
Während also ein paar der japanischen Schüler und Schülerinnen noch im Bett lagen und selig vor sich hin schlummerten, begann für die Klasse von Mikoto an jenem Morgen der Unterricht mit dröger Politik in Gemeinschaftskunde bei dem schon älteren Lehrer Kenji Momonari, seinem Ruf nach der vermutlich unbeliebteste Lehrer der gesamten Schule. Vielleicht sogar der unbeliebteste Lehrer von ganz Japan.
Kenji Momonari war „von der alten Sorte“, um es einmal nett auszudrücken. Er erwartete stets, dass bei seinem Eintreten alle Schüler und Schülerinnen fein säuberlich aufgereiht an ihren Plätzen saßen, sich im gleichen Takt erhoben und vor ihm verbeugten. Jene, die es nicht taten bestrafte er. Es war ihm zuwider, dass man an seiner Schule, die vor vielen, vielen Jahren einmal ein reines Jungeninternat gewesen war, den gemischten Unterricht eingeführt hatte und wer von ihm beim Flirten mit dem anderen Geschlecht erwischt wurde, der hatte es besonders schwer und musste mit großen Strafen rechnen. Im Allgemeinen war er der Meinung, dass die Schülerinnen an dieser Schule nichts zu suchen hatten, auch wenn er sich an diesen Umstand inzwischen zumindest etwas gewöhnt hatte.
Kurzum... Herr Kenji Momonari war irgendwann im letzten Jahrhundert stehen geblieben, während die Welt um ihn herum sich weiter entwickelt hatte. Er war zudem alles andere als ein Lehrer, bei dem man Ärger haben wollte und alle Schüler achteten immer stets darauf, ihm aus den Weg zu gehen oder im Notfall möglichst perfekt seinen Anforderungen gerecht zu werden.
„Lieblingsschüler“ aus Mikoto's Klasse war Yuki, den Herr Momonari schlicht und einfach nicht ausstehen konnte, da er „eine Schande für alle lebenden und intelligenten Lebewesen“ sei, so ein Zitat von ihm. Manche Schülerinnen konnte er einfach nur nicht leiden, aber bei Yuki war das schlimmer... er hasste ihn aus ganzem Herzen. Yuki stand für ihn für alles, was mit dieser Generation „falsch lief“. „Bevor ich zum
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