Die Geisterverschwoerung - Mara deckt auf
verloren vor Angst?
Hastig riss er am ReiÃverschluss seines Rucksacks und bevor Hagen ihn daran hindern konnte, zog er den kleinen Karton heraus, den er Mara früher am Abend schon geben wollte. Die Spieluhr!
Maras Gedanken überschlugen sich. Das sollte Prometheusâ Geheimwaffe sein?
Hagen stieà einen Schrei aus und versuchte, Lucas das Ding aus der Hand zu schlagen. Da er aber nicht wagte, Mara loszulassen, die sich immer noch gegen seinen Griff stemmte, gelang es ihm nicht. Lucas lieà sich indessen nicht beirren und zog die Spieluhr auf. Eine nette, harmlose Melodie erklang, übertönt von den Worten des Rituals.
Sybilla schien davon jedoch nichts mitzubekommen. Wie weggetreten fuhr sie fort: »Loraba dulke intebbe  ⦠«
Mara war enttäuscht. Nichts war geschehen. Kein Blitz hatte die Geister getroffen oder Sybilla erstarren lassen. »Es funktioniert nicht«, sagte sie tonlos zu Lucas. »Aber du hast es immerhin versucht.«
Plötzlich kam Kathi unter dem Tisch hervor, unter dem sie sich verkrochen hatte, mit tränennassem Gesicht. »Diese Melodie kenne ich!«, zischte sie. »Opa hat mir den Text beigebracht. Er sagte, die Musik lähmt den Willen, der Gesang macht Geister offen für den Willen eines anderen. Aber jetzt bin ich selbst ein Geist, deshalb fällt es mir schwer, zu widerstehen. Adrian! Emilia! Ich brauche noch mal eure Hilfe!«
Und tatsächlich kamen die beiden aus zwei Ecken des Raumes hervor. Wieder schlossen sie einen Kreis.
Dann begann Kathi zu singen. Es klang wie ein einfaches Kinderschlaflied, aber diesmal wurden die Geister unruhig. Verwirrt sahen sie sich um, als warteten sie auf etwas.
Unvermittelt lieà Hagen von Mara und Lucas ab und schoss auf Sybilla zu. Er legte ihr seine Hände auf die Ohren, um sie vor der Melodie zu schützen. Er selbst war durch seine Ohrstöpsel vermutlich immun.
»Du musst sie in eine Kerze locken«, unterbrach Kathi ihr Lied hastig. »Kannst du das? So überzeugend sein, dass dein Publikum dir jedes Wort abnimmt?«
Das lieà sich Mara nicht zweimal sagen! Während Kathi weitersang, rannte sie zu Sybillas Koffer zurück, holte ein paar Seelenkerzen heraus und stellte sie auf dem Couchtisch auf, wo sie sie entzündete. Als sie sich wieder umwandte, stellte sie fest, dass die Geister ihr Tun beobachtet hatten. Sie drängten sich dicht um sie herum. Wie eine bedrohliche graue Wolke.
»In dieser Welt fühlt ihr euch schon lange wie Fremde«, sagte Mara freundlich. Sie bemühte sich, ihre Stimme genauso warm klingen zu lassen, wie sie es von Sybilla gelernt hatte, und versuchte, sich in die Geister hineinzuversetzen. »Die Welt, die ihr kanntet, hat sich verändert. Ihr erkennt die Stadt nicht mehr wieder. Eure Freunde und Familien sind längst gegangen. Nur ihr seid noch hier und kämpft jeden Tag gegen Langeweile und Einsamkeit.« Die Geister flackerten, flogen durcheinander â aber immerhin nicht mehr durch Mara hindurch. »Zu Hause ist immer da, wo die Menschen sind, die man liebt. Dieses Licht hier kann euch zu ihnen führen. Dort werdet ihr alles finden, was euch im Leben wichtig war.«
Die Geister scharten sich immer dichter um die Kerzen und um Mara. Sie wusste nur noch nicht, ob es Interesse oder ein Angriff war. »Seht genau hin! Könnt ihr schon erkennen, wer auf euch wartet?«
Plötzlich war es, als hätte sich eine Tür geöffnet. In den nebelhaften Gesichtern spiegelten sich die Gefühle der Geister: Hoffnung, Freude, Trauer und Sehnsucht  ⦠Dann sanken sie, ohne groÃes Zögern, in die Lichter hinein.
Mara konnte es kaum fassen: Sie hatte es wirklich
geschafft! Als der letzte der neunundneunzig Geister verschwunden war, pustete sie die Kerzen aus â bis auf eine. Das Ritual hatten sie verhindern können, aber die Gefahr war noch nicht gebannt! Sybilla und Hagen würden sich doch niemals überreden lassen, freiwillig ins Jenseits zu gehen.
Kathi beendete ihren Gesang, der sie offenbar stark erschöpft hatte.
Im gleichen Moment schien Sybilla zu spüren, dass etwas nicht stimmte. Sie brach das Ritual ab und blickte sich verwirrt um. »Wo sind meine Geister?«
Hagen sah sie schuldbewusst an. »Ich konnte es nicht verhindern«, erwiderte er leise.
»Sie haben sie alle betrogen«, stieà Mara hervor. »Deshalb haben Sie sie verloren.«
»Nein, nicht deshalb,
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