Die Geistesbrüder: Karl May und Sascha Schneider Roman einer Künstlerfreundschaft (German Edition)
und dies wäre ja ohnehin das wichtigste Buch für solche Änderungen. Es sei zwar zu bedauern, schreibt May, dass schon andere Entwürfe vorlägen, die er, sein Verleger, in Auftrag gegeben habe, aber kleinliche Dinge zählten ja wohl nicht bei der Größe der kommenden Aufgabe.
May kommt zum Schluss und schreibt:
Er sei ja überzeugt, dass sein Verleger sich nicht einen Augenblick besinnen werde auf diese Vorschläge einzugehen, denn er werde keinem im ganzen Lande je wieder etwas Ähnliches geboten. Und zum Schluss wolle er seine Eile entschuldigen, er habe ihm das Ganze längst mitteilen wollen, nur hielte ich es nicht für möglich, dass es gelingen würde, einen solchen Künstler wie Schneider in das Verlagshaus Fehsenfeld zu holen. Nun, da es gelungen sei, werde er ihn festhalten, so fest er könne …
Grüße, auch von seiner Frau Klara … etc. etc. Ihr alter May
Fehsenfeld, der Verleger, mit einem erschöpften Schnaufen, wirft das Briefblatt auf den Tisch.
So ein verdammter Unsinn!
Er nimmt die Hände vors Gesicht, jammert und stöhnt in einer Weise, als habe er fürchterliche Schmerzen. Die Hündin unter dem Tisch hebt den Kopf, schaut aus ihren Bernsteinaugen auf den Herrn, schnüffelt. Was er nur habe, ihr Herr? Nach ein paar Sekunden der Aufmerksamkeit, und da nichts weiter folgt, legt das Tier den Kopf wieder auf die Vorderpfoten, schließt die Augen, öffnet sie jedoch nach kurzer Zeit wieder, ob nicht doch noch etwas nachfolgt, nein, der Herr scheint nur traurig und niedergeschlagen. Es ist nichts weiter. Sie wird wachsam sein …
Laut jammert indes der Verleger Fehsenfeld: Was er nur angestellt habe, welches Unglück ihn verfolge, dass er mit diesem Autor geschlagen sei, der immer aufs Neue alles in Frage stelle, Bewährtes kaputt mache, sein junges Verlagshaus an den Rand des Ruins bringe, und er verfluche den Tag, da er in diesem elenden Nest Radebeul diesen Kerl Karl May getroffen habe. Gewiss, sie hätten Erfolge, sie hätten viel Geld verdient, aber müsse man deshalb gleich ein derartiges Risiko wie mit diesem Maler Schneider eingehen. Wer ein guter Maler sei, der tauge noch lange nicht zum Buchillustrator und Buchdeckelgestalter, und mit seinen bewährten Künstlern wie Mandl, Bergen und Richter fahre der Verlag gut, die Kunden kauften die Bücher und akzeptierten die Deckelgestaltung, man identifiziere die May-Bücher aus dem Hause Fehsenfeld inzwischen mit diesen Bucheinbänden, eine Art Markenbewusstsein habe sich entwickelt; was aber werde mit Buchdeckeln von einem Kunstmaler, der dem, wie er in Erfahrung gebracht habe, dem Symbolismus verpflichtet sei, der Zeichnungen und Gemälde von eindeutig homoerotischem Gehalt fertige, der deshalb umstritten sei und dessen moralische Integrität in Zweifel zu ziehen sei. Da schwatze der liebe May davon, dass er nicht als Jugendverderber gelten wolle, und dann diese unanständige, vordergründige Nacktheit. Wie es denn damit sei? Wie wirkten solche Bilder auf unsere deutschen Jungen? Was wolle man beispielsweise bei Old Surehand oder dem Schut mit großformatigen Männerakten, was mit gespreizten Schenkeln, mit prallen Hintern, mit muskelbepackten nackten Schultern? Und wer hänge denn dem Symbolismus nach, wer könne im Jugendbuch etwas mit Mystifizismus, mit überbordenden Heilsgedanken anfangen? Wer würde diese veränderten May-Bücher noch kaufen? Ein Junge von 14 Jahren, der auf handfeste Abenteuer aus sei, der mit seinen Helden in den wilden Westen oder zu den Stämmen der Hadhedihn aufbrechen wolle, der sehe plötzlich auf seinen Büchern pralle nackte Männerärsche, Helden mit finsteren Gesichtern, mit Rauschebärten im Mittelalterstil, und irgendwo dahinter zur Milderung einen heiligen Stern und das Strahlen von Bethlehem … nein, nein, mein lieber May, das ist ein Irrweg, dies führt nicht dorthin, wohin wir wollen, sondern in die engen Stübchen bestimmter Kreise. So verwandle man sich nicht, so werde man nicht ernster genommen, so nicht, Herr May …
Gut, murmelt Fehsenfeld und erhebt sich, er werde sich eine Kunstmappe aus Leipzig kommen lassen, er werde sich die Werke dieses „deutschen Michelangelo“ einmal genauer anschauen … plötzlich aus heiterem Himmel muss der Verleger lachen, er lacht so sehr, dass ihm die Tränen kommen und er hin- und hergehen muss, dass die Hündin unter dem Tisch hervorkriecht und verwunderte Augen macht. Nein, nein, lacht er, dies sei wirklich eine tolle Stilblüte, diesen Schneider mit
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