Die Geistesbrüder: Karl May und Sascha Schneider Roman einer Künstlerfreundschaft (German Edition)
Klara, war aus anderem Holz. Klüger und berechnend, kalt und ehrgeizig. Mit ihr würde er, der Verleger Fehsenfeld, es schwerer haben. Sie hatte Vorbehalte, war misstrauisch. Das fühlte er, obwohl sich Klara ihm gegenüber loyal und freundlich gab, nein, es würde mit ihr kein gutes Ende nehmen. Er wusste, dies war nur ein Gefühl, aber Gefühle können manchmal untrüglicher sein als Gewissheiten. Apropos: Und er hat, das fällt ihm sofort ein, wider seine Gefühle und Gewissheit, neben anderem eben doch dann nach diesem Besuch von May in St. Märgen die beiden Bücher „Am Jenseits“ und „Himmelsgedanken“ herausgebracht, hat sich von seinem May wieder einmal, wie so oft, bereden lassen, und natürlich das Erwartete ist eingetreten, sie verkaufen sich schlecht, diese Schwarten. Fazit: Von den „Himmelsgedanken“ werde es nur eine Auflage geben. Mehr auf keinen Fall.
Und jetzt dieser neuerliche Schlag – die Idee seines Großautors, sich mit symbolistischen Titelbildern zu schmücken. Auch dies wird schiefgehen, weiß Fehsenfeld, und was in Wahrheit dahintersteckt, weiß er auch, es ist weder ein neuentdecktes Kunstverständnis noch die Wahrheitsliebe, es ist die Sucht seines Karl May, wieder einmal vor seinen Jägern und Kritikern davonzulaufen, in ein anderes Gewand zu schlüpfen, sich zu verstecken, Maske zu machen, den Eindruck zu erwecken, man sei ein ganz anderer und gar nicht der, für den man gehalten werde. Sein altes Spiel, in der Jugend begonnen und in seinen Büchern ausgelebt. Der Versuch des perfekten Identitätswechsels. Im Grunde aber die Ideen eines Spätpubertierenden, eines narzisstisch Suchenden, nicht die eines reifen Mannes, auch, wenn er sie in ein esoterisches und mystisches, in ein katholisches Geschwafel kleidet. Mein Gott, Herr May, warum? fragt sich der nüchterne und freidenkerische Verleger Fehsenfeld.
Ach, seufzt er noch, wenn er ihn, trotz allem, nur nicht so lieb haben würde, diesen kleinen Mann aus Sachsen, wenn er bloß seinem Charme nicht so sehr erliegen würde, denkt Fehsenfeld, und vor allem, wenn sie nur halb so erfolgreich wären, sie beide, dann, ja dann schmisse er ihm alles vor die Füße und machte nur noch gute und schöne und unverfängliche Belletristikreihen mit seinem Kipling, mit Cooper und mit Scott und wer weiß wem, ach …
Fehsenfeld streckt den Arm aus, langt nach dem angefangenen Brief, der vor ihm auf dem Tisch liegt. 3
…heute gelte es,
schreibt May,
das Äußere mit dem Innern in Einklang zu bringen. „Das Testament des Apatschen“, „Marah Durimeh“ usw. sollten als ganz eigene Gedankenwelten hoch emporzuragen haben und den vorhergehenden Bänden Licht, Klarheit und Verständnis bringen. Da reichen, schreibt er weiter, die alten Einbände nicht heran, denn die Seele, die hier zu dem deutschen Volke sprechen wolle, sei es wirklich wert, vor allzu substanziellen Auffassungen bewahrt zu werden …
Fehsenfeld, stirnrunzelnd, zieht das Blatt näher heran. Jetzt kommt’s! murmelt er, jetzt lässt er die Katze aus dem Sack. May schreibt, …
und sie hätten ja, Gott sei Dank, noch echte und wahre Künstler, welche Geniales leisten, ohne gleich unerschwingliche Preise zu stellen. Sascha Schneider, der Berühmte, sei sein Freund. Er, der größte, der begabteste, der gewaltigste unter den jetzigen Malern, verkehre in seinem Hause. Er sei der „deutsche Michelangelo“. Und er lese ihn, May, nicht nur, sondern er begreife ihn auch, geradezu köstlich seien seine Gedanken, die ihm dabei kämen. Er, sein Herr Verleger, solle sich doch einmal für 6 Mark von Webers-Verlag-Leipzig eine Mappe mit Zeichnungen kommen lassen, da werde er sehen, wer der Schneider sei … und dann werde er ihn, seinen Autor, begreifen.
Einbanddecken von der Hand eines solchen Meisters habe ein deutscher Verleger noch niemals gehabt und werde auch keiner je bekommen. Er sehe voraus,
schreibt May,
wie man ihn, den Fehsenfeld, beneiden werde. Und welchen großen künstlerischen Schatz bekäme jeder Buchkäufer mit diesen Deckelbildern gratis dazu.
May schreibt,
er habe mit dem Maler Schneider gesprochen. Eigentlich habe er keine Zeit für solche Kleinigkeiten, er liebe das Große und Gewaltige. Aber als sein Freund wolle er das erbetene Opfer erbringen. Und so werde er nicht nur die künftigen, nein auch die vorhandenen Bände mit seinen Bildern ausstatten. Und alles nur für 100 Mark pro Zeichnung. Das gleiche dem großen Los. Schneider werde mit „Friede“ beginnen
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