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Die Geistesbrüder: Karl May und Sascha Schneider Roman einer Künstlerfreundschaft (German Edition)

Die Geistesbrüder: Karl May und Sascha Schneider Roman einer Künstlerfreundschaft (German Edition)

Titel: Die Geistesbrüder: Karl May und Sascha Schneider Roman einer Künstlerfreundschaft (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Funke
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Dittrich, ähnele keineswegs dem Philister Wagner, sie brauchten beide keine Unterrichtsstunde in Ellenbogendiplomatie und Aufstiegskunde, weshalb es unnötig sei, hier den Bösewicht und den finsteren Materialisten herauszukehren – oder ob er ihnen Angst machen wolle? Also, er solle die Allgemeinplätze verlassen und lieber sagen, was er wirklich von Karl May wolle. Sei es Geld? Und, wenn ja, wie viel Geld brauche er denn? Tausend Mark? Zehntausend Mark? Oder noch mehr?
    Er jedenfalls, Max Dittrich, der im Juni sechzig Jahre alt werden würde, habe noch niemals eine solche Lebenshaltung gut geheißen, die nach dem Geld anderer Leute ziele, im Gegenteil, dies sei eine Schande, so etwas sei ihm, Dittrich, unmöglich, so etwas kenne er nicht. Er habe es immer für ein Verbrechen gehalten, nur nach dem Geld zu zielen und dabei seine Überzeugungen zu verschachern …
    May blickte bei diesen Worten auf, warf dem Freund einen langen Blick zu, lächelte, verzog den Mund, erinnerte sich in einem Winkel seines Gedächtnisses, dass es Dittrich gewesen war, der seinerzeit wegen Unterschlagung nach Zwickau Osterstein gekommen war. Da hat er noch nach dem Geld anderer Leute gezielt, dachte May. Da ist er noch ein Verbrecher gewesen. Einer wie ich.
    Aber wer weiß das noch? Heute nach fast vierzig Jahren vielleicht nicht einmal Dittrich selber. Denn der „Verbrecher“ Dittrich hat inzwischen mit seinem Leben gesühnt, ist reif geworden, und hat das frühere, wie er ihm nicht nur einmal gestanden hat, tief bereut.
    Oh ja, sie haben sich in den Armen gelegen, er und sein Max, es ist vor fünfzehn Jahren im Anschluss an ein Radebeuler Weinfest gewesen und sie haben Tränen vergossen, echte Tränen der Reue über ihre früheren Sünden, sie haben sich geküsst und geschworen, dass das Alte für immer vergangen sei. Warum also sollte der Max nicht jetzt vor diesem Lumpen Lebius solche Worte sagen? Im Gegenteil, er hat, wie auch er, May, selber, das moralische Recht dazu … Dies alles sagte Karl May mit seinem langen, tiefen Blick an den Freund, und Dittrich schien verstanden zu haben, denn er fuhr mit noch ernsterer Miene fort:
    Wenn Sie, verehrter Rudolf Lebius, als der viele Jahre Jüngere, von solcher Sorte sind, wenn Sie keine Skrupel kennen, mögen Sie das immerhin mit Ihrem Gewissen abmachen, und auch, wenn Sie jetzt vielleicht vorgeben, ein Gewissen sei gar nicht nötig, ein Gewissen könne man sich erst ab einem respektablen Kontostand von ein paar Tausend Mark leisten, so bin ich gewiss, der Strich, der unter Ihr Leben und Ihr Treiben dereinst gezogen werden wird, der wird dies alles berücksichtigen. Es kann Jahre dauern, glauben Sie mir, ich weiß das, es wird Jahre dauern, bis der Herrgott oder eine andere höhere Macht von Ihnen Rechenschaft fordern wird, und dann werden Sie an meine Worte denken. Das wette ich. Ich jedenfalls für meinen Teil bin wirklich froh, dass ich mich noch unter das alte, gute, und ich muss sagen: deutsche Eisen rechnen darf!
    Lebius hatte mit seinem schiefen Schmunzeln zugehört. Jetzt klatschte er in die Hände, rief: Bravo! Mein lieber Herr Dittrich, das ist ja eine Predigt! Oder doch eher eine Büttenrede, wie wir sie häufig von den Kanzeln unserer Kirchen hören. Aber Sie glauben ja niemals, mein Lieber, Sie glauben selber nicht an das, was Sie sagen. Und Sie können gar nicht dran glauben, denn Sie sind früher, als Sie in meinem Alter waren, ganz anderen Sinnes gewesen …
    Dittrich, der gerade aus seinem Weinglas getrunken hatte, verschluckte sich, hustete, hielt sich ein Taschentuch vor den Mund.
    Wie meinen Sie das? stieß er hervor und nahm das Tuch mit einem Ruck herunter.
    Wie ich es gesagt habe, Verehrtester, konterte Lebius. Er war nicht im Mindesten verlegen, wirkte weder schuldbewusst noch reumütig, im Gegenteil, seine Augen blitzten tückisch, clownesk lächelte der schiefe Mund. Lache mein Teufelchen, lache!
    Wie ich es gesagt habe, wiederholte er feixend. Nur, wie ich es gesagt habe, mein Lieber! Ihm war das Erschrecken seines Gegenüber nicht entgangen, und er fühlte eine kitzlige Freude, wie einer, der beim Skat einen Trumpf vorgetäuscht hat und nun durch den Spielfehler des anderen einen Vorteil erlangt, Lebius freute sich, er jubilierte, indes er wusste nichts über Dittrichs Vergangenheit, kannte weder Einzelheiten noch Zusammenhänge. Aber er dachte: Also doch! Habe er es nicht gleich gewusst?? Diese verfluchten Biedermänner hätten ja allesamt Dreck am Stecken,

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