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Die Geistesbrüder: Karl May und Sascha Schneider Roman einer Künstlerfreundschaft (German Edition)

Die Geistesbrüder: Karl May und Sascha Schneider Roman einer Künstlerfreundschaft (German Edition)

Titel: Die Geistesbrüder: Karl May und Sascha Schneider Roman einer Künstlerfreundschaft (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Funke
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ich, dieses Bild ist ein großartiges, und es ist sicherlich auch unbezahlbar, denn es trägt seinen Wert in sich selbst, es ist das Bild für einen gepeinigten Menschen …
    Ist es Ihnen gewidmet, verehrter Meister?
    Karl May, nur mühsam beherrscht, sagt in heiserem Ton: Sagen Sie endlich, was Sie wollen, Herr Redakteur, und dann raus mit Ihnen.
    Aber aber verehrter Meister, entgegnet Lebius mit seinem schiefen Lächeln, nicht diese Töne … Wir werden uns schon einigen, das wette ich … doch jetzt etwas anderes: Haben Sie nicht ein Glas Wein für Ihren Gast? Schönen süffigen aus der Lößnitz, halbtrockenen, einen Schieler, wenn’s geht. Na dann, los! Auf den Tisch damit, Sie werden sehen, danach lässt sich gleich viel besser reden.
    May, dem es die Sprache vor so viel Frechheit verschlägt, geht zur Tür.
    Nicht schon wieder, Verehrtester, ruft ihm Lebius hinterher. Bitte keine neue Flucht!
    Doch May verließ den Salon nicht. Er rief nur nach seiner Klara, bat sie, eine Flasche Wein aus dem Keller zu holen. Ach, lassen Sie sie doch gleich zwei Flaschen bringen, liebster May, lachte Lebius und nahm am Tische Platz, da brauchen wir Ihre Frau nicht noch mal zu belästigen.
    Wieder wechselten Dittrich und May tiefe Brüderblicke. Der alte Freund sah, wie sehr Karl sich quälte, er tat ihm leid. Doch, was hilft es? Sie müssen es hinter sich bringen.
    Der Wein, von dem Lebius sogleich in großen Schlucken zu trinken begann, tat bald seine Wirkung. Der Gast wurde noch ungehemmter, zugleich fröhlicher, seine Rede steigerte sich ins Dreiste, Überspitzte. Er wolle, sagte er und goss sich selber aus der halb vollen Flasche nach, er wolle zuerst einmal über ein paar Prinzipien reden, damit sein ehrenwerter Gastgeber und sein Freund, damit sie beide sähen, was ihn, Lebius, antreibe und was ihn im Innersten zusammenhalte. Dabei sei sein Grundsatz, je bunter und wilder, je drastischer er seine Beschreibungen wähle, desto eher werde er verstanden, er sei eben ein Zeitungsmensch, ein versierter Journalist und sein journalistischer Kernsatz laute: Nur keine Zimperlichkeiten! Keine falsche Zier! Den Leuten grad aufs Maul geschaut und frisch drauflosgeredet! Oder geschrieben, hi, hi – das ist klar.
    Zunächst die wichtige Frage –
wie
hältst du’s mit der Religion?
Eine Frage, die einen so gottesfürchtigen Mann wie Karl May sicherlich besonders interessiere.
    Lebius lachte sein schiefes Lachen, er strich sich über das kleine Bärtchen, seine Augen blitzten auf und er sagte: Die Religion sei für ihn weiter nichts als eine Idealisierung des gewöhnlichsten, sozialen Herdentriebes der Menschen, nämlich, um im Bilde zu bleiben, des Prinzips von Hirt und Herde, von Leithammel und Schafen. Daher sei es das unbedingte Ziel eines jeden halbwegs intelligenten Menschen, besonders eines solchen, der sich nicht mehr als bloßes Schaf betrachte, unbedingt zum Leithammel einer Herde aufzusteigen, gleichviel welcher. Einem jeden Denkenden sei doch das Führungsprinzip inne. Wer nichts werden wolle, der sei auch nichts wert. Das gelte auch in religiösen Fragen. Deshalb sein Vergleich. Gehe es nun, wieder um im Bilde zu bleiben, bei der einen Sorte von Schafen nicht, so gehe man zu einer anderen; man brauche nur zu wechseln, nichts sei leichter als das, allerdings immer mit Begeisterung und mit schafgerechter Logik, denn es gehe ja um Schafe, um die dumme, manipulierbare Masse! Das habe er erkannt. Und niemals sei vergessen: Schafe wollten immer auch geschoren werden, sonst werde ihnen ihr Pelz zur Last, man schere sie sozusagen zu ihrem eigenen Vorteil, ha, ha. Die echten Schafe wüssten das und ließen sich die Schur gerne gefallen, nur die menschlichen Schafe seien immer mal wieder bockig und gäben ihre Wolle nicht gerne her. Aber, alles andere – nichts als Beiwerk: das Gerede von Gott und Christus und dieses ganze Zeug. Der pure Aberglaube sei das, nichts weiter, ha, ha. Man glaube ihm, denn er habe die Erfahrung gemacht: Wenn man sich von all dem religiösen Unsinn frei mache, von jeder Frömmelei und Götzenanbeterei, dann sei es, als verlöre man einen jahrhundertealten Ballast, wie bei einem geöffneten Fenster entweiche der alte Mief und man könne wieder frei atmen. Ein weiterer Grundsatz von ihm betreffe die Obrigkeit und den Umgang mit ihr. In Deutschland, und dies hänge wieder mit dem Herdentrieb zusammen, in Deutschland sei man ja besonders obrigkeitshörig, vor jedem vermeintlich Höheren werfe man sich in

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