Die Geistesbrüder: Karl May und Sascha Schneider Roman einer Künstlerfreundschaft (German Edition)
Universitäten gewesen. Ja, nimm es als deine Universität, in der du mehr gelernt hast über die menschliche Seele und das Leben als jeder bürgerliche Absolvent und Doktorand. Indes, mehr sollte es nicht sein als ein Wegweiser durch die Seelenlandschaft, eine Enzyklopädie menschlicher Charaktere und Schicksale, ein Fundus – jetzt geht es um anderes, Karl. Wenn du zu viel Staub wischst in deines Lebens Archiv, wirst du dich beschmutzen, schließ die Tür ab und wirf den Schlüssel weg, das habe ich getan – und ich fahre gut damit.
Dittrich macht eine kleine Pause, streicht sich mit der Linken den Bart, blickt sinnend auf das gegerbte Löwenfell mit dem riesigen, Zähne fletschenden, präparierten Kopf, das neben Mays Schreibtisch, die Tatzen ausgebreitet, liegt.
Gegen die Münchmeyer-Sippe also geht es jetzt? Das ist gut so, denn auch dieses Kapitel musst du hinter dich bringen, mein Lieber, und zwar ein für allemal, nicht nur des verdammten Geldes wegen und was die veruntreuten Tantiemen betrifft … es ist eine Sündenwüste für dich gewesen, wo du umhergetappt bist, blind und taub, hungrig und durstig nach Geld und Anerkennung – natürlich, ich werde dir helfen, so gut ich kann. Das versteht sich.
May ist zusammengeschreckt, wie aus einem Traum hat ihn der andere geholt. Aber er hat ja recht, und wie damals auf Osterstein fühlt er sich auf einmal wohl und geborgen in der Gegenwart des Freundes. Jawohl, sie würden siegen. Das fühlt er und eine jähe Wärme für den Freund steigt auf und verdrängt alle Zweifel und Unsicherheiten.
Und gerade im rechten Moment geht jetzt die Tür auf und Klara erscheint mit dem Tablett und einer großen Kanne Kaffee. Nein, hat sie zu dem Mädchen gesagt, das die Tassen und die Kanne schon in den Händen gehalten hat, lass nur, ich trag das selbst hinein.
Sie sieht sofort, die Freunde sind noch nicht weit gekommen. Karl wirkt verkrampft und unsicher, und Dittrich sitzt abwartend und besserwisserisch wie ein Lehrer auf seinem Stuhl. Das Alte, denkt sie, die verfluchte Vergangenheit, scheint die beiden noch zu beschäftigen, zu lähmen. Sie fühlt, wenn dieser Kerl da ist, kommt Karl nicht davon los. Er fühlt sich dann, als trüge er noch die Anstaltskluft mit der Nummer. Nein, sie mag diesen Max Dittrich nicht. Es ist ein Fehler von Karl gewesen, ihn um Unterstützung zu bitten.
Vorsichtig setzt sie das Tablett ab, geht still wieder hinaus, sie hat Karl einen Blick zugeworfen, aber sie ist sich nicht sicher, ob er verstanden hat, ihre Warnungen, ihre alte Vorsicht, dem Dittrich nicht allzu sehr zu vertrauen, ihn nicht in alles einzuweihen … und vor allem, kein Geld, nichts über Geld zu reden. Leise schließt sie die Tür. Hinter der Verglasung verwischt ihr Schatten. May weiß nicht warum, aber er atmet auf. Trinken wir erst einmal einen Schluck Kaffee. Meine Frau kocht den besten in ganz Radebeul.
Als Klara zurückkommt, steht in der Küche ihre Mutter Wilhelmine Beibler. Sie wohnt nun schon geraume Zeit bei ihrer Tochter, hat im Dachgeschoss zwei Zimmer bezogen, hält sich zurück, lebt im Verborgenen, geräuschlos, ohne eine Spur, kaum, dass sie zu den Mahlzeiten erscheint. Sie weiß, der Schwiegersohn mag sie nicht besonders, er duldet, erträgt sie, seiner Frau zuliebe. Jetzt steht sie vor ihrer Tochter, ein gewaltiger Fleischkloß, der sich nur mit Mühe fortbewegen kann. Ein erdiges Bauerngesicht unter eisgrauem Haar. Trotz ihrer Zurückhaltung und ihrer Unbeweglichkeit äugt die Uralte mit harten, gierigen Blicken auf alles, was im Hausstand ihrer Tochter geschieht, wo sie kann, die Hausangestellten schindend, achtet sie Geld raffend, langsam, gierig, unersättlich auf jede Kleinigkeit.
Kaum der Alten ansichtig, fällt von Klara aller Schein und alle Verstellung. Da sitzt er wieder, der Dittrich, und tut, jammert sie, als ob er allein nur helfen könne. Und Karl, weich und ohne Willen, erfleht seinen Rat. Ich ertrag es nicht, Mutter, ich ertrag ’s nicht.
Kürz ihm die Kette, Tochter, mach ihn scharf und böse, deinen Karl, antwortet mit rauer, tiefer Stimme die Alte, sie spricht einen alten niederschlesischen Ton, so wie man ihn in und um Görlitz kennt, tu, Klara, wie man es mit Hofhunden macht, wirf ihm einen Knochen hin und nimm ihn wieder weg, bis er japst und knurrt. Er muss Feinde um sich sehen, sich in blindem Hass und Geifer ergehen. Schaum vor dem Maul soll er haben. Reib dich nicht an einem blassen Kerl wie diesem Dittrich. Der wird keinen
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