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Die Geistesbrüder: Karl May und Sascha Schneider Roman einer Künstlerfreundschaft (German Edition)

Die Geistesbrüder: Karl May und Sascha Schneider Roman einer Künstlerfreundschaft (German Edition)

Titel: Die Geistesbrüder: Karl May und Sascha Schneider Roman einer Künstlerfreundschaft (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Funke
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Wort. Er ist aufgestanden und geht, die Hände auf dem Rücken, dozierend hin und her. Manchmal bleibt er stehen, streicht versonnen über seine Waffen, die Silberbüchse und den Henrystutzen, die als Blickfang für jeden Besucher an der Wand hängen, oder er nimmt die große Wasserpfeife in die Hand, betrachtet sie lange, lächelt abwesend, oder er geht zum Fenster, um durch die Gardinen in den Garten zu spähen. Die Schnüre seines Hausmantels haben sich gelöst, die silbernen Quasten schleifen über den Boden und es sieht aus, als zöge der Hausherr einen nachgebildeten Löwenschweif hinter sich her. Sein Gast indes sitzt still, ab und zu wirft er ein Wort in die Rede seines Freundes, nichts Wichtiges, nur Bekräftigendes, die meiste Zeit aber beobachtet er den Hausherrn, folgt ihm mit den Augen bei seinen Wanderungen durchs Zimmer, raucht eine Zigarre, streicht sich nachdenklich den Bart.
    … Es sei ja vor drei Jahren, gerade, als er sich im Nahen Osten befunden habe, so gewesen, sagt May vor dem ausgebreiteten Löwenfell stehen bleibend, dass die Presse begonnen habe, sich mit seinen Münchmeyer-Romanen und seiner Person zu beschäftigen. In übelster Weise sei er dabei verleumdet worden. Findige Journalisten wollten zum Beispiel herausgefunden haben, er, Karl May, befände sich gar nicht in Ägypten und er säße auch nicht auf dem Rücken von Kamelen, sondern er hocke in einem Rollstuhl im Jodbad Tölz und versuche eine schwere Krankheit auszukurieren. Leider habe er dieses ganze Geschwätz damals, als es im Entstehen gewesen sei, nicht so ernst genommen, wie er es hätte nehmen sollen, vor allem aber habe er nicht vermutet, was zu gleicher Zeit im Münchmeyer-Verlag über ihn ausgebrütet worden sei. Jawohl, damals habe der ganze Schlamassel hinter seinem Rücken begonnen, damals, als er auf seines lieben Halefs Spuren wandelte. Und er sei sorglos wie ein Kind gewesen und habe seiner Frau und den Plöhns geschrieben, sie möchten doch zu ihm nach Kairo kommen, um unter der ägyptischen Sonne die Freuden des Morgenlandes gemeinsam zu genießen. Und tatsächlich, die drei seien auch gekommen, wenn auch mit Verspätung, denn Plöhn wäre unterwegs erkrankt und man habe in Italien einen Zwischenstopp einlegen müssen. Schließlich habe er, ein paar Wochen später, von seinem Freund Plöhn bei einer Tasse ägyptischen Mokkas erfahren, was in der Heimat gegen ihn angezettelt worden wäre, aber die Informationen seien beileibe nicht vollständig und ziemlich unbestimmt gewesen, auch, dass sein Rechtsanwalt, der Bernstein, noch nicht aktiv geworden wäre und alle Gegenwehr zu dieser Zeit noch in den Anfängen steckte. Fischer, der Münchmeyer-Nachfolger, habe erklärt, so Richard Plöhn, dass er sich, weil er die May-Romane von Frau Pauline Münchmeyer offiziell gekauft und tatsächlich auch bis zum letzten Pfennig bar bezahlt habe, bis zum Äußersten wehren werde, diese Texte herauszugeben, möge die Presse von Schund, Unsittlichkeit und moralischen Abartigkeiten so viel schreiben, wie sie könne, und möge der Autor die Herausgabe so oft verlangen, wie er nur wolle …
    May verstummt, er ist vor einem prachtvollen arabischen Krummdolch stehen geblieben, packt das an der Wand befestigte Prunkstück mit der linken Hand und zieht mit der rechten den Dolch ein paar Zentimeter aus der Scheide. Die Klinge blitzt auf, ein metallisches Knirschen ist zu hören. Nach ein paar Sekunden, in denen er die Klinge noch weiter hervorgezogen hat und sie, von eindringenden Sonnenstrahlen getroffen, gefährlich und, wie man sagen kann, tödlich schimmert, schiebt May den Stahl mit rascher Bewegung wieder in die herrlich bearbeitete und mit Edelsteinen besetzte Scheide. Es ist abermals dieser trockene Ton zu hören. Ein Knirschen und Schleifen. Die Waffe erzittert und mit ihr bewegen sich einige der benachbarten Stücke an der Wand. May wendet sich mit einem Ruck seinem Gast zu, der den Vorgang, mit offenem Mund, die Zigarre in der Hand, beobachtet hat. Und das Gesicht des Gastgebers zeigt jetzt einen wilden und gefährlichen, einen zu allem entschlossenen Ausdruck. Einen Ausdruck, den Dittrich nur ein einziges Mal an seinem Freund gesehen hat. Damals auf Schloss Osterstein, als ein Mitgefangener ihn verpfiffen hatte und May, in Wahrheit unschuldig, deshalb für ein paar Tage in die Zelle für den Verschärften einziehen sollte. Er sei ein friedlicher Mensch, sagt May jetzt, friedfertig vom Grunde auf, im persönlichen Leben

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