Die Geistesbrüder: Karl May und Sascha Schneider Roman einer Künstlerfreundschaft (German Edition)
Schaden machen, unbedeutend wie er ist. Der will nur helfen so wie er deinem Karl im Zuchthaus geholfen hat. Solche gibt es, solche mit einem Helferwahn und Gutmenschen-Tick – nein, nein, der Max Dittrich ist keine Gefahr. Verrenn dich nicht, mein Kind. Kümmere dich um die wirklichen Gegner. Nimm die Sache selber in die Hand. Fahr zu den Leuten, um sie zu Zeugen wider die Pauline Münchmeyer zu gewinnen. Denn es geht um Geld, um viel Geld, meine Tochter. Karl muss den Prozess gegen diese Niedersedlitzer um jeden Preis gewinnen. Und bedenke, das Geld bedeutet auch Zukunft für dich, mein Kind. Was willst du ohne Geld, wenn dein Karl einmal nicht mehr ist. Wie viele Jahre ist er älter als du? Also: Sei geschäftig. Jede Woche einen neuen Zeugen gewinnen, verstehst du … fahr hin zu ihnen, mach eine Liste und vergiss in deinem Eifer die Weimar’sche nicht, diese drei Mal verfluchte Emma Pollmer. Denn die ist an allem schuld! Deine liebe Emma hat die Münchmeyer’schen Briefe wie alle entscheidenden Verträge und Schriftstücke verbrannt und mit der Pauline schöngetan die ganze Zeit. Ich vergesse nicht, wie sie zu deinem Karl gesagt hat, dass sie alles tun werde, damit ihrer Freundin Pauline kein Unrecht geschieht. Ich stand im Hausflur, als er sie wegen dieser Briefverbrennungen zur Rede gestellt hat. Jedes Wort hörte ich. Ihr wart gerade aus Ägypten zurückgekehrt. Ich war gekommen, um euch zu begrüßen … Zwei Monate ist dieses Mensch nun schon dort im lieblichen Weimar. Mir ist es zu ruhig in diesem thüringischen Nest. Zu ruhig, verstehst du? Wer weiß, was sie und ihre Weibsen, die sie immer um sich hat, ausbrüten. Ja, ich werd mal jemanden fragen, der was wissen könnte. Wir müssen vorbereitet sein, meine liebe Klara, immer und immer vorbereitet. Auf alles und jedwede Schweinerei. Ja, ich werde jemanden kommen lassen, ich werde mich umhören, und dann werden wir’s dem Mensch zeigen, dem hinterlistigen und stockdummen Weib – aber, das ist nicht deine Sache, vorerst, verstehst du, mein Kind? zischt die Alte und schließt ihren Mund wie ein Kommodenfach. Sie sitzt, quellend von Fett, kolossig und glänzend wie ein fernöstlicher Buddha, das erdfarbene Gesicht entschlossen und wie erstarrt unter dem eisgrauen Haar. Sie watschelt zur Tür, schwer atmend und keuchend, den Knauf in der Hand dreht sie sich um: Du hast den Bankdirektor Strieße aufgesucht? Das ist gut, mein Kind. Wir müssen die Mittel in sichere Häfen bringen. Man weiß trotz allem nie, was noch kommen mag …
Ächzend verharrt die Uralte im Türrahmen, stützt sich auf ihren Stock, wehrt ab. Nein, ich schaff es noch allein, ich komm die Treppe schon noch hoch, lass nur … sie watschelt hinaus in den Flur, schwer, plattfüßig, ohne Gruß. Klara hört, wie sie die Treppe nach oben keucht, wie die Stufen knarren. Eine Tür schlägt zu. Stille.
Kaum ist die Alte weg, schon sind die Schritte des Mädchens auf dem Flur zu hören, verändert sich Klaras Gesicht und ihre Haltung. Sie wird wieder die Gattin des bekannten Schriftstellers, selbstbewusst, entschlossen, sogar ein bisschen leutselig. Als das Mädchen in die Küche tritt, findet sie die Herrin dabei, das Silberbesteck zu ordnen und ab und zu etwas auf einen Zettel zu kritzeln.
Sag, Hedy, spricht Klara das Mädchen an, unser Gast, Herr Dittrich, wird zum Abendbrot bleiben, was denkst du, was sollten wir anbieten? Ich dachte, wir machen einen Auflauf. Was sagst du dazu?
Ganz, wie Sie meinen, gnädige Frau, antwortet das Mädchen und knickst. Indes, Ihr Mann, Herr May, mag keinen Auflauf. Er würde verstimmt sein. Vielleicht braten wir lieber ein paar Hühnerschenkel, es sind noch welche da. Die mag er sehr, wissen Sie.
Klara dachte nach. Das Mädchen hat recht, Karl würde ärgerlich und er dächte, ich wolle ihm mit dem Abendbrot eine Lektion wegen des Dittrich erteilen. Machen wie beides, Hedy, sagte sie, da können die Herren wählen. Und vielleicht mag der Gast ja unseren Auflauf. Das Mädchen knickst wieder, sie schaut auf die Küchenuhr und sagt, gut, gnädige Frau, da werde ich in einer Stunde mit der Vorbereitung beginnen. Klara streichelt dem Mädchen über den Kopf. Du bist sehr verständig, das freut mich. Wo ist denn Therese?
Die hat doch heute frei, gnädige Frau, sie wollte in die Stadt, sich umsehen …
Umsehen??
Ja, ich weiß auch nicht, antwortet das Mädchen und wird rot.
Im Arbeitszimmer ist inzwischen das Gespräch doch in Gang gekommen. May führt das
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