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Die Geistesbrüder: Karl May und Sascha Schneider Roman einer Künstlerfreundschaft (German Edition)

Die Geistesbrüder: Karl May und Sascha Schneider Roman einer Künstlerfreundschaft (German Edition)

Titel: Die Geistesbrüder: Karl May und Sascha Schneider Roman einer Künstlerfreundschaft (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Funke
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Zeitungsberichte, die Schmähungen und Lügenartikel vorgelesen hätte, sagt May und tappt zur Tür, horcht, schüttelt den Kopf, ja Emma habe nur gelächelt und dazu geschwiegen, manchmal ein Wort zugunsten ihrer Freundin Pauline gesagt, nicht heftig, eher zurückhaltend, denn sie wusste, dass dies ein Reizthema zwischen ihnen war. Was also, habe er gedacht, sollte er tun? Natürlich, zuerst das Naheliegende. Deshalb habe er nach einer kurzen Zeit des Nachdenkens die neuen Ausgaben seiner Münchmeyer-Romane, mit denen die ehrenwerte Frau Pauline jetzt auf den Markt drängte und die sie ihm großspurig zugesandt hatte, einmal genauer angeschaut. Nächtelang habe er gesessen, eine Zigarre nach der anderen geraucht und im Lampenschein gelesen, was da unter seinem Namen gedruckt worden war. Und es sei gar nicht schwer gewesen, die Fälschungen, die Änderungen, die Einfügungen und Neuformulierungen zu finden – und er habe sofort aus dem Gedächtnis jede Menge Abweichungen von seinen Originalmanuskripten festgestellt. Manchmal über Fünfzig in einem Kapitel. Die Haare hätten ihm zu Berge gestanden. Einige Male sei er aufgesprungen, hätte den Henrystutzen in die Hand genommen und sich vorgestellt, wie er die Münchmeyer damit bedrohen würde. Eine ohnmächtige kalte Wut habe ihn ergriffen und ihm sei klar geworden, weshalb man die Manuskripte nicht herausgeben wollte, warum man behauptet hatte, sie seien vernichtet und verbrannt. Er sollte nichts nachweisen können! Dies sei es gewesen! Ohne die Originalmanuskripte stünde ja Aussage gegen Aussage. Das wusste das Teufelsweib Pauline Münchmeyer selbstverständlich. Oh, was für eine vertrackte Situation.
    Plötzlich, eines Tages, er sei gerade mit Artikeln an die Presse, sogenannten Erwiderungen auf die verschiedensten Verleumdungen, beschäftigt gewesen, auch mit Kontakten zu diversen Anwälten, nicht nur in Dresden, sondern auch in Berlin, Leipzig und in München, um die Möglichkeiten eines Prozesses gegen die Münchmeyer genauestens zu sondieren, denn man hätte ihm bedeutet, eine Klage sei gründlich vorzubereiten, es seien die Argumente und Sachpunkte gewissenhaft, wie im Kriege die Pyramide von Kanonenkugeln, aufzuschichten, das Pulver sorglich in Portionen und Beutelchen aufzuteilen, an alles sei zu denken, wenn der Angriff Erfolg haben solle. Vor allem solle er achten, war ihm gesagt worden, die Klagegründe aus dem ideellen ins materielle Niveau zu verlegen, nur das Materielle wäre bei Gericht zu verwenden, Ideelles sei Beiwerk, Stimmungsrauch für die Richter, Worte wie „Unsittlichkeit“, „Unchristliches“ oder Ähnliches seien gerichtlich nicht verwertbar, dagegen versprächen sehr wohl unterbliebene Honorarzahlungen, falsche Abrechnungen und andere handfeste Betrügereien große Erfolgsaussichten – alles dies habe er zu überdenken und zu beachten gehabt, schwierig für einen, der kein Jurist sei, denn das juristische Denken sei ein von unserem normalen Denken grundverschiedenes, und es bediene sich einer Sprache, die wie die der Bibel vielerlei Abgründe und geheime Bedeutung habe; er habe schon einige Male überlegt, ob man nicht ein Wörterbuch für das Juristendeutsch herausgeben solle, das würde ein Buch, welches hohe Verkaufszahlen brächte – viele Nächte sei er daher in dieser Zeit schlaflos gelegen, denn von seiner Geschiedenen hätte er naturgemäß weder Hilfe noch Unterstützung zu erwarten gehabt, sondern nur Vorwürfe und Knüppel auf dem Weg, alles hätte auf seinen Schultern wie ein großer Tragekorb und wahllos um ihn herum, frisch gehackten Holzes gleich, gelegen – mitten in diesen aufreibenden Tagen nun hätte sich bei ihm auf einmal jener gewisse Adalbert Fischer gemeldet. Adalbert Fischer? habe er zuerst gedacht, sagt May und imitiert die Überraschung in die Stimme, Fischer – nie gehört. Er rief zweimal mit dem Telefonapparat an, dieser Mensch, dann kam ein Brief. Es stellte sich heraus, dass Fischer jener Käufer des Münchmeyer’schen Unternehmens war, von dem er schon bei den ersten Berichten in Kairo gehört habe …
    May macht eine seiner theatralischen Pausen, er hat jetzt wieder hinter seinem Schreibtisch Platz genommen, mechanisch rückt er an verschiedenen Papierstapeln herum, die sich vor ihm befinden. Wieder beobachtet er den Freund, wieder hat er dabei die Augen gesenkt, um unter den Lidern hervor schnelle Blicke abzuschicken. Aber es ist nichts Neues festzustellen. Von Max Dittrich kommt noch immer

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