Die Geistesbrüder: Karl May und Sascha Schneider Roman einer Künstlerfreundschaft (German Edition)
ihm treffen und wir sollten uns aussprechen. Er ging sofort darauf ein und wir vereinbarten eine Zusammenkunft in Schleyers Weinstuben in Niedersedlitz.
Ein paar Tage später, genau am 23. Januar, abends gegen sieben, trafen wir in besagtem Weinlokal unter vier Augen zusammen. Fischer, leutselig und wahrscheinlich geschmeichelt, dass ich mich auf ihn einlasse, noch dazu durch ein paar Gläser Veltliner rotbäckig und gesprächig, wurde offenherzig. Er berichtete mir alles, was er im Laufe der Verkaufsverhandlungen von der Münchmeyer über mich und meine Romane erfahren hatte. So erfuhr ich den ganzen abgefeimten Plan der Witwe, den sie sich gegen mich ausgeheckt hatte. Dem Fischer hatte sie erzählt, ich sei mit mehreren Jahren Zuchthaus vorbestraft, weil ich während meiner Lehrerzeit mit Schulmädchen unsittlichen Umgang gehabt habe, was, wie Fischer glaubte, gut zu dem Pressevorwurf passte, ich hätte unmoralische Bücher geschrieben. Was ich indes mit ihrem Gatten, dem verewigten Gotthold Münchmeyer, ausgemacht hätte, habe die Witwe gesagt, so Fischer zu mir, sei ohne Belang. Der wäre jetzt tot. Es ging jetzt darum, wer den Eid leisten könne. Und ich werde dazu nicht gelangen, meine Vorstrafen seien dafür die Sicherung. Man brauche mir nur mit der Veröffentlichung meines Strafregisters zu drohen und schon sei ich aus dem Rennen. Was die Romane betreffe, sagte Fischer zu mir, so sei ihm gesagt worden, dass man daran zeitgemäße und verkaufsfördernde Veränderungen vorgenommen habe. Ein Name fiel.
Walter!
Doch er wisse nicht genau, ob auch noch andere Redakteure daran beteiligt waren. Dies wäre indes egal, denn der Nachweis sei ja ganz leicht, ich brauche nur die Originalmanuskripte neben die erschienenen Bücher zu legen und schon wäre alles klar. Man sähe die Fälschungen gewiss sofort. Da rief ich: Die Manuskripte sind ja verbrannt! Kein Nachweis sei mehr möglich. Worauf Fischer aufsprang, wie wild gestikulierte und behauptete, dies stimme nicht, die Manuskripte seien sehr wohl noch vorhanden und er könne sie beschaffen. Er würde dies auch tun, würde mir diese Hilfe leisten, nur müsste ich im Gegenzug mein Druckverbot fallen lassen. Wir gingen auseinander und ich versprach, die Sache zu überdenken. Auf dem Nachhauseweg überlegte ich: Konnte ich diesem Mann glauben? Freilich, er wirkte auf mich bis zu einem gewissen Grade glaubwürdig. Und ich dachte, ihm ginge es darum, den Ruf eines Schundverlegers loszuwerden, der mit meinen gefälschten Büchern ja zwangsläufig an ihm haften musste. Hätte er noch Zugriff zu meinen alten Manuskripten? Wo lägen sie? Wenn aber diese Manuskripte tatsächlich noch vorhanden wären, wie er behauptet, dachte ich, dann könnte ich alle Vorwürfe mit einem Schlag entkräften. Aber ich durfte nicht vorschnell handeln und so beschloss ich, erst einmal auf eigene Faust Nachforschungen anzustellen. Nachforschungen vor allem über die Personen, die an meinen Texten die Fälschungen vorgenommen hatten. Wer waren sie? War Walter der Einzige gewesen? Wohl kaum. Ich bezahlte am Anfang sogar einen Privatdetektiv. Doch jetzt, mein lieber Max, sind diese Nachforschungen in einer Sackgasse angekommen … und deshalb habe ich dich zu mir gebeten. Du musst mir helfen, ich bitte dich …
May macht eine Pause, wieder senkt er die Augenlider, wieder spielt er mit dem gewaltigen Brieföffner, wieder fixiert er mit seinem Pfadfinderblick sein Gegenüber. Er weiß, dass sein Freund längst erraten hat, warum er ihn gerade jetzt um Hilfe bittet. Dittrich, vor Jahren Redakteur im Münchmeyer’schen Verlag, zuerst freischaffend, später sogar als regulärer Angesteller, sollte damals eine Schriftenreihe mit Artikeln aus dem Deutsch-Französischen Krieg ausarbeiten, alles Militärische lag ihm besonders, galt er doch beinahe schon als Militärschriftsteller. Also kannte er das Getriebe des Verlages aus nächster Nähe, besonders in einer Zeit, als die Romane Mays neu herausgegeben werden sollten, nachdem May selber dem Hause Münchmeyer grollend den Rücken gekehrt hatte. Dittrich war also ein Kollege all dieser Fälscher und Schmierfinken gewesen, die sich an seinen Büchern vergangen hatten, er kannte sie und wusste ganz sicher, wer, außer Walter, noch daran beteiligt war. Er musste die Burschen jetzt ausfindig machen und dann würde dafür gesorgt werden, dass sie als Zeugen im Münchmeyer-Prozess zur Verfügung stünden. Das war sein ganzer Plan und May wusste, er würde sich auf
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