Die Geistesbrüder: Karl May und Sascha Schneider Roman einer Künstlerfreundschaft (German Edition)
keine Reaktion. Aufrecht sitzt der, schweigt und wartet gespannt, dass sein Gegenüber weiterspricht. May räuspert sich, er bückt sich, zieht ein Fach auf, greift in die Lade und holt ein Blatt Papier hervor. Dittrich kann nicht erkennen, ob dieses Blatt ein Brief, ein Artikel oder vielleicht sogar unbeschrieben ist. Er sieht, wie das Papier in Mays Händen zittert. Aufmunternd nickt er seinem Freund zu.
Der fährt in seiner Rede fort: Neugierde und der Wunsch, diesen Menschen kennenzulernen, sagt er, habe ihn nicht lange zögern lassen. Er habe ihm eine schriftliche Einladung zugesandt. Pünktlich zum vereinbarten Termin, sogar auf die Minute genau, sei Adalbert Fischer dann an der Tür seiner Villa erschienen, ein kleiner untersetzter Herr mit Stirnglatze, gewandt, etwas schmierig, einem Handelsvertreter ähnlich, Ende vierzig, also über zwölf Jahre jünger als er, May, selber.
May hebt den Kopf, spricht lauter: In mein Arbeitszimmer geführt, hat sich dieser Mensch sofort familiär und kumpelhaft gegeben, ist unaufgefordert umhergelaufen, hat alles angestarrt, die Waffen, die ausgestopften Tiere, sogar in die Hände wollte er die Silberbüchse nehmen, dann hat er gefragt, direkt und mit einem dreckigen Feixen, was das alles gekostet hätte. Und er feixte wirklich ekelhaft. Natürlich habe ich nichts verraten, sondern nach dem Grund seines Kommens gefragt.
Fischer ist darauf schnell zur Sache gekommen und das Gespräch war insgesamt hochinteressant, tatsächlich interessant in vielerlei Richtungen. Er wollte mir Angst einjagen, mich in die Ecke jagen, denn er fing damit an, dass er wisse, ich sei vorbestraft …
Meine Einwände, sagt May hinter seinem Schreibtisch, wehrte er ab, er wollte nichts hören, sondern rief frech und herausfordernd: Wer solchen Dreck am Stecken habe, wie ich, der bekannte Autor Karl May, der solle sich hüten, großartig zu prozessieren, denn es könne passieren, dass vor Gericht das Ganze plötzlich eine andere Richtung als beabsichtigt bekäme. Fischer hob bei diesen Worten warnend wie ein Schulmeister den Zeigefinger und drohte mir. Selbstsicher und fröhlich fuhr er fort: Mit dem Kauf des Münchmeyer’schen Ladens (er sagte tatsächlich „Laden“) seien jetzt meine Romane
sein
Eigentum, da gäbe es keinerlei Mitsprache und er brauche auch mein Einverständnis überhaupt nicht. Er könne damit machen, was er wolle, so wie jedermann mit seinem Eigentum nach Belieben verfahren könne. Womöglich wisse ich, die Bücher wären früher schon, zu Gottholds Zeiten, verändert worden, und er, der Rechtsnachfolger, lasse sie jetzt, den neuen Zeiten entsprechend, umarbeiten, und dies geschähe ganz so, wie es ihm gefalle. Dazu lachte er mir unverschämt ins Gesicht, spreizte sich vor mir, sodass ich ihn, wie Shatterhand, zu Boden hätte schlagen mögen. Doch ich beherrschte mich, machte ein ruhiges, gleichmütiges Gesicht und ließ ihn weiterreden, denn, so hoffte ich, in seiner großsprecherischen Art werde er Dinge ausplaudern, die ich sonst nie erfahren hätte. Und richtig, er machte ein ungeheuer wichtiges Gesicht, schlug die Beine übereinander und rief: ein Prozess gegen ihn, Fischer, könne dauern. Zehn Jahre und mehr seien bei derartigen Dingen keine Seltenheit heutzutage, und inzwischen sei ich von der Presse und meinen Gegnern erledigt. Er aber, der große edelmütige Adalbert Fischer, er wolle meine Vernichtung nicht, im Gegenteil, er biete mir ein Kompensationsgeschäft an. Ja, ein richtiges Geschäft, eine Gelegenheit für mich, all diesem Ärger aus dem Wege zu gehen. Wenn ich ihm siebzigtausend Mark zahle, siebzigtausend in bar und guten Scheinen, so werde er mir meine alten Romane auf einem silbernen Tablett servieren, alle Rechte obendrauf, und im Handumdrehen wären die Presse und alle anderen zum Schweigen gebracht. Er lehnte sich gönnerhaft zurück, feixte wie ein Pferdehändler beim Handschlag, schnalzte mit der Zunge und ergänzte: dies sei
seine
Hilfe an mich. Und ich könne versichert sein, schwadronierte er im Überschwang weiter, er wisse noch viel mehr, viel, viel mehr, ja er wisse reinweg alles, denn die Münchmeyerin habe ihm bei der Übergabe alles, was sie wusste, bis ins Detail berichtet. Hier machte er eine Pause, rollte geheimnisvoll mit den Augen. Hakte die Daumen unter die Revers seines Jacketts, schnalzte wieder mit der Zunge.
Dann: Also, mein lieber May, sprach dieser wackere Adalbert Fischer nach dem nächsten Luftholen weiter, leider wäre es
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