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Die Geistesbrüder: Karl May und Sascha Schneider Roman einer Künstlerfreundschaft (German Edition)

Die Geistesbrüder: Karl May und Sascha Schneider Roman einer Künstlerfreundschaft (German Edition)

Titel: Die Geistesbrüder: Karl May und Sascha Schneider Roman einer Künstlerfreundschaft (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Funke
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nachzusinnen, reckt dann den Kopf mit dem grauen Bart zur holzgetäfelten Decke und sagt, wobei er noch ein wenig lauter wird, er habe ja bekanntlich Ende 1902 und dann auch im Januar und Februar 1902 wiederholt in einigen seiner Vorträge sowie auch in den Historischen Blättern ganz und gar deutlich festgestellt, dass der sogenannte Verlag H. G. Münchmeyer in Dresden-Niedersedlitz fünf schmutzige, zum Teil geradezu scheußlich gemeine Romane von Karl May, einer mit seinem Namen, einer unter dem Pseudonym „Kapitän Ramon Diaz de la Escosura“, der Rest anonym, aber deutlich als geistiges Eigentum dieses „exotischen Kapitäns“ gekennzeichnet, erscheinen ließ, und zwar genau zu derselben Zeit, wo dieser May im „Deutschen Hausschatz“ sexuell einwandfreie Romane, sogar hie und da mit katholischer Färbung, obwohl selber Protestant, herausgegeben hat. Wohl aber habe jener May, dröhnt Cardauns auf seinem Salonrundgang, den er nun fortsetzt, jener vorgeblich so ehrenwerte Herr May also, dieser habe immer wieder „versichert“, eigentlich jedoch „im Flüsterton“ nur angedeutet, seine Originalmanuskripte seien moralisch vollständig unbedenklich gewesen. Nur die bösen und ihm übelwollenden Menschen – bald beschuldigt er den 1892 verstorbenen Münchmeyer und einige seiner Mitarbeiter, neuerdings, wie wir hören, auch den Verlagsnachfolger Adalbert Fischer –, all diese Unholde hätten seine Romane „geschändet“ und „umgearbeitet“. Natürlich, bei diesem so ehrenwerten Haus Münchmeyer handele es sich ja, wie wir alle wissen, ruft Cardauns mit Stentorstimme, um einen höchst bedenklichen Kolportageverlag, welcher eine Gesamtleistung von über einer halben Million Druckzeilen mit pornografischen Inhalten und unzähligen kleinen Schmutzereien, zusammen hunderte von Druckseiten unreinlichen und unreinlichsten Inhaltes, ans Licht der Öffentlichkeit schwemme und damit vom deutschen Arbeiter, Angestellten, Beamten, Schüler und Studenten Geld kassiere. Fünf Jahre habe der Druck dieser fünf Romane des Herrn May insgesamt beansprucht. Der ahnungslose Herr May aber habe, wie er beteure, währenddessen keine Zeit gehabt, die Korrekturen oder gar die fertigen Werke wieder durchzusehen; nur durch den puren Zufall, mein Gott wie rührend, habe er den „heimlichen Mitarbeiter“ in seinem alten Freunde Münchmeyer entdeckt sowie ein paar andere namenlose Schreiber, denen er bis zum heutigen Tage angeblich nachspüren lässt, um seine Ehre zu retten. Und so ist die Zeit vergangen, Monat um Monat, Jahr um Jahr. Die Bücher aber sind weiter verkauft worden, Hunderte, Tausende gar, und Herrn Mays Honoraranspruch ist weiter gewachsen. Aber bis ins jetzige 20. Jahrhundert indes hat er gewartet, der arme Herr May, ehe er nun über die angebliche Schurkerei seines mittlerweile längst verstorbenen Verlegers das erste Wort in der Öffentlichkeit sagt.
    Meine mündlichen und schriftlichen Ausführungen aber sind damals, sagt der Chefredakteur und bleibt vor dem Kruzifix, die Hände auf dem Rücken, stehen, soweit ich dies habe übersehen können, in der Presse fast allgemein als richtig anerkannt worden. Herr May aber, als der Betroffene, habe zunächst überhaupt nicht reagiert, er habe es im Gegenteil vorgezogen, sozusagen schweigend zu lauschen, um ja nicht durch störende Einwürfe zu verscheuchen, was meine Menschenkenntnis zu bereichern hatte. Ich erinnere mich nur noch, fährt der bekannte Historiker, sich mit einem Zischlaut abrupt von dem hölzernen Jesus abwendend, fort, und ich werde nicht vergessen, dass der famose Schriftsteller May in der Einleitung zu einem seiner letzten Romane (den Titel nenne ich hier nicht, aber er ist allgemein bekannt) seine literarischen Gegner höchst geschmackvoll mit Maden verglichen hat, die sich untereinander auffressen werden, und zwar so lange, bis die letzte und fetteste zerplatzt ist. Und als kriegserfahrener Indianerkämpfer schickte er danach einige seiner jungen Männer vor, um mir den Garaus zu machen …
    Breitbeinig stellt sich Hermann Cardauns vor das Tigerfell. Seine Stimme dröhnt im Raum: Was diese Bürschlein angestellt haben, um meinen Skalp zu erbeuten, sagt er und lacht, und wie die ganze obskure Geschichte ausgelaufen ist, habe ich, wie Sie, meine Herren, sich erinnern werden, damals in den Historisch-politischen Blättern nur ganz kurz andeuten können. Hier nun für Sie einige Ergänzungen. Cardauns Stimme hat einen triumphierenden Klang angenommen,

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