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Die Geistesbrüder: Karl May und Sascha Schneider Roman einer Künstlerfreundschaft (German Edition)

Die Geistesbrüder: Karl May und Sascha Schneider Roman einer Künstlerfreundschaft (German Edition)

Titel: Die Geistesbrüder: Karl May und Sascha Schneider Roman einer Künstlerfreundschaft (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Funke
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Villa Shatterhand wünsche sie. Sie werde sogleich ihrem Manne Bescheid sagen, der arbeite oben in seinem Zimmer. Andauernd arbeite er ja, ohne Pause. Gönne sich keine Ruhe, der Arme.
    Kommen Sie nur bitte in den Salon. Hier herein. Nehmen Sie einstweilen Platz. Dann Schritte, eine Türe wird geschlossen. Stille.
    Nach einer kleinen Weile, Klara kommt herauf. Ah, da bist du schon, flüstert sie, denn May hat nicht abgewartet, er ist ihr voller Ungeduld entgegengegangen. Als sie die letzten Treppenstufen nimmt, ist er schon an der Ecke. Er umarmt seine Frau. Sie sind im Salon. Gut, ich komme. Stell dir vor, flüstert sie noch, der Fischer nahm mich unten, gleich hinter der Tür beiseite, legte mir den Arm vertrauensselig um die Schultern und sagte, oh, wie gut, dass er mich noch vor dem eigentlichen Gespräch allein sprechen könne, er meine es wirklich gut mit dir, ganz und gar ehrlich, das solle ich ihm glauben, und es wäre ihm lieb, wenn ich dich bezüglich des „Verlorenen Sohnes“ veranlasste, ihm, gewissermaßen als Ersatz, einen anderen Text zu geben. Warum? fragt May. Wie zwei Verschwörer stehen sie, die Eheleute May, sind hinter die Tür zur oberen Etage getreten, flüstern, machen betretene Gesichter. Auf einmal, von oben Schritte, ein Keuchen. Die Uralte kommt die Treppe von ihren Zimmern herab, sie hat etwas gehört, mit ihrem feinen Gehör ist sie dem Geräusch nachgegangen. Sonst sind ihre Sinne stumpf, sie sieht nicht gut, ist schwer und unbeweglich, alle Knochen tun ihr weh, sie hat die Gicht und Diabetes und wer weiß was noch alles, aber auf ihre Ohren ist immer noch Verlass. Wie eine Katze hört sie alles, was im Hause vorgeht. Da war doch was? hat sie gedacht und ist aus ihrem Zimmer zur Treppe geschlurft. Jetzt tastet sie die Stufen nach unten, stutzt, wie sie ihre Klara und den Karl sieht. Und mit ihrem untrüglichen Instinkt ahnt sie, was die beiden bewegt. Es ist wegen eures Besuches, Klara, stimmts, wegen dieses Adalbert Fischer aus Niedersedlitz, von dem du mir erzählt hast? Ja, Mutter, antwortet die Tochter und fängt von ihrem Mann einen Blick ein, immer trägst du alles zu der Alten, du weißt, ich will das nicht, sagt sein Blick. Ja, die Fischers sind unten, Mutter, ich will Karl nur noch etwas sagen … bitte, geh wieder hinauf. Reg dich nur nicht auf, ich bitte dich. Die Alte macht ein finsteres Gesicht. Ihr Mund ein Strich über dem harten Kinn, das immer noch dunkle Haar wie angeklebt auf dem erdigen Schädel. Abrupt dreht sie sich weg und stapft schnaufend die paar Stufen wieder nach oben. Dort, an der weißen niedrigen Flurtür angekommen, bleibt sie stehen. Die Klinke in der Hand, zischt sie: Diesem Pack muss man die Faust zeigen! Ihr seid zu weich, Klara, viel zu weich …
    Klara wartet, bis ihre Mutter verschwunden ist, dann flüstert sie weiter und beendet ihren Satz: Fischer sagt, dass eine Veröffentlichung dieses Buches deinen Ruf endgültig zerstören werde. Ich antwortete nichts, ließ ihn stehen, bat sie zu warten, bis ich dich geholt hätte.
    Das ist alles, Herzle? fragt May und küsst seine Frau auf die Stirn. Ja, das ist alles. Dann lass uns hinab in die Höhle gehen, nein, nicht zu Löwen, sondern zu kleinen possierlichen Erdhörnchen. Komm, Klara, komm …
    Kaum hat May die Tür zum unteren Salon einen Spalt geöffnet, noch nicht einmal richtig eingetreten ist er, und Klara mit ihrem festen Tritt nur einen halben Schritt hinter ihm, da springt auch schon sein Gast, der Neuverleger Adalbert Fischer, wie von einer Feder geschnellt aus dem dunkelbraunen Ohrensessel hoch, in dem er es sich bequem gemacht hat, und eilt auf den Eintretenden zu. Mit beiden Händen ergreift er Mays rechte Hand, drückt sie heftig, ja er beugt sich ein wenig vor und May, der befürchtet, er bekäme jetzt einen Handkuss, schreckt zurück. Klara, die hinter ihm ist, verhindert ein noch weiteres Zurückprallen.
    Nicht doch, Herr Fischer, sagt May lächelnd, mein Gott, er solle sich besinnen, er habe doch nicht den Padischah vor sich. Und, während er diese freundlich scherzhaften Worte sagt, kommt ihm die Erinnerung an die erste Begegnung mit diesem Menschen Fischer, wie frech und anmaßend der ihm gegenüber aufgetreten ist. Jedes Wort weiß er noch. Warum nur empfängt er diesen Kerl. Und es krampft sich ihm das Herz zusammen, zugleich spürt May schamhaft, wie ihm bei seiner kurzen Rede wieder das Sächsische über die Unterlippe gerollt ist. Besinnen „se“ sich, habe er gesagt, denkt

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