Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Geistesbrüder: Karl May und Sascha Schneider Roman einer Künstlerfreundschaft (German Edition)

Die Geistesbrüder: Karl May und Sascha Schneider Roman einer Künstlerfreundschaft (German Edition)

Titel: Die Geistesbrüder: Karl May und Sascha Schneider Roman einer Künstlerfreundschaft (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Funke
Vom Netzwerk:
mit der Glatze schaut auf, seine Brille ist ein wenig angelaufen, aber die Sehstärke scheint stark, die Augen sehen vergrößert und monströs aus. Fischer stellt sich vor. Lilie, sagt der andere, wie die Blume, Moritz Lilie, angenehm. Zögernd, mit ein paar lustigen Bemerkungen gewürzt, wie sich Sachsen in einem Bierlokal ansprechen, kommt man ins Gespräch. Fischer merkt sofort, er hat ins Schwarze getroffen, der andere, dieser Lilie, ist tatsächlich Schriftsteller, und noch besser, wie sich herausstellt ist er gewesener Redakteur der Kötzschenbrodaer Zeitung, er verfasst Reiseführer durch die Lößnitz und das Elbtal, und er kenne den Spitzenautor des Münchmeyer-Verlages, Karl May, mit dem er noch vor Monaten zu Vereins- und Kegelabenden gegangen sei, der ihm, wie er nach zwei weiteren Bieren, die Fischer spendiert, freimütig zugibt, gelegentlich unter die Arme gegriffen habe. Doch das sei früher, Anfang der Neunziger und weit vor dem jetzigen Krach gewesen. Fischer zitterte und sog wie ein Fährtenhund die Luft ein, er witterte eine Chance, fragte nach, lachte, klopfte dem Alten vertraulich auf die Schulter und da plauderte der alte Lilie, Fischer hatte ihm zu den Bieren noch drei Klare bringen lassen, oh, er wisse noch viel mehr von diesem May, diesem Haderlumpen, mit dem er sich seit Neuestem gar nicht mehr verstünde, den er wegen Beleidigung sogar verklagt habe.
    Was er denn wisse? fragte Fischer und winkte der Kellnerin nach weiteren Bieren. Er habe nämlich vor, sprach er in leisem Verschwörerton, den Münchmeyer-Verlag zu kaufen, und da müsse er vor allem von den Autoren noch mehr wissen. Ob er als Fachmann das verstehe?
    Lilie, mit verschleierten Augen, setzte die Brille ab, zwinkerte, blinzelte wie ein hilfloser Seehund und rülpste laut. Jaaa, oh jaaa das verstehe er gut. Und er hob die rechte Hand, machte mit Daumen und Zeigefinger das Geldbezahlzeichen. Mehr wissen bedeute weniger Honorar! Ha, ha, ha. Bravo, Herr Fischer! Und dem May müsse man ordentlich eins drüber geben. Der verdiene es nicht anders. Wenn er helfen könne … und der trunkene Moritz Lilie beugte sich zu Fischer herüber. Fischer roch den abgestandenen Atem des Alten, aber er verzog keine Miene, machte stattdessen ein hochinteressiertes Gesicht. Ich höre, flüsterte er, ich bin gespannt – und dann flüsterte sein Gegenüber, der Redakteur und Schriftsteller Lilie, flüsterte von Mays Vorstrafen, von dessen freudloser Jugend im Erzgebirge, von all den Verfehlungen Mays, die angeblich keiner kenne und die May nur ihm einmal, als er hoffnungslos betrunken gewesen sei, in großsprecherischer und prahlerischer Weise bei einem Kegelabend offenbart habe. Fischer ließ noch ein großes Henkelglas vor seinen Informanten hinstellen, bestellte ihm sogar eine Bockwurst mit Kartoffelsalat. Aufmerksam, ja gierig hörte er dem alten Manne zu, und er weiß noch, wie er gedacht hat, dass er nun über diesen Erfolgsschriftsteller etwas in der Hand habe, wovon andere nur träumen können, erst die Witwe und nun dieser Redakteur Lilie, einen wahren Schatz habe er gefunden und an ihm liege es jetzt, ihn in richtiges Gold zu verwandeln. Freundlich, wortreich und dankbar verabschiedete er sich von dem jetzt nur noch Lallenden, klopfte ihm anerkennend auf die Schultern, er habe ihm sehr geholfen, wirklich sehr geholfen. Komm, sagte er zu seiner Frau, wir gehen, mein Kopf ist voller Kapital, das uns noch nützlich sein wird …
    An dieses Erlebnis in Kötzschenbroda denkt Fischer jetzt, während er sich entschlossen hat, nun doch den linken Ellenbogen auf die Tischplatte zu stützen und die rechte Hand leger in den Schoß zu legen. Und so kommt es, dass Adalbert Fischer, mit einem Seitenblick auf die Frauen, die nebenan sitzen und sich über irgendeine Modesache leise unterhalten, entspannt lächelt. Oh ja, denkt er, er kann mit seinem Mehrwissen und dem Verlag im Rücken entspannt in dieses Gespräch gehen. Er hat die besseren Trümpfe.
    May ihm gegenüber räuspert sich. Mit seinem verbindlichen Lächeln neigt er sich ein wenig nach vorn. Die Weste spannt über dem Bauch, die goldene Uhrkette pendelt. Er habe von seiner Frau erfahren, beginnt er, dass er, sein Gast Adalbert Fischer, es gut mit ihm, dem Schriftsteller May, meine. Auch er, May, meine es gut mit ihm, seinem Gast Fischer. Das sei eine gute und richtige Voraussetzung, immer solle man es gut miteinander meinen, wenn man miteinander Geschäfte oder Vereinbarungen treffe. So wie im

Weitere Kostenlose Bücher