Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Gejagte

Die Gejagte

Titel: Die Gejagte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa J. Smith
Vom Netzwerk:
Jennys Hand mit dem Ding. Jenny fühlte ein Zwicken.
    Und dann war die Sonde plötzlich in ihrem Ohr. Verzweifelt versuchte Jenny, den Kopf wegzudrehen, aber die kleinen Hände – stark wie von Pilzfleisch ummantelte Klauen – hielten ihre Stirn eisern fest. Sie spürte, wie das Instrument tiefer eindrang, und wand sich hektisch. Es berührte ihr Trommelfell und tat weh wie ein Wattestäbchen, das zu tief ins Ohr gestoßen wurde.
    Sie war vollkommen hilflos. Was immer sie ihr antun wollten, sie würden es tun.
    Tränen des Schmerzes und des Zorns rannen ihr an den Schläfen hinunter. Sie steckten die Sonde in ihr anderes Ohr. Einer von ihnen tupfte ihr Auge ab und hielt das Lid auf. Dann spürte Jenny kaltes Metall auf ihrem Augapfel.
    »Es ist nur ein Traum«, rief sie Dee beinah schluchzend zu, als das Instrument wieder zurückgezogen wurde. »Es ist nicht echt!«

    Von dem anderen Tisch kam keine Antwort.
    Was für eine Art von Spiel war das, in dem man keine Chance hatte? Julian hatte davon gesprochen, dass sie alle sich ihren Albträumen »stellen« müssten – aber Jenny rechnete nicht damit, dass das bedeutete, dass sie einfach abwarten sollten, bis der Albtraum vorüber war. Sie sollten etwas tun, aber sie wusste nicht, was, und zu allem Übel konnte sie sich nicht einmal bewegen. Dee und sie würden sicher nicht überleben, wenn sie einfach nur hier liegen blieben.
    »Was wollt ihr von uns?«, rief sie. »Was sollen wir tun?«
    Da ging ein Ruck durch die Besucher. Eine neue Art von Wesen war eingetroffen. Größer als die anderen, hatte es offensichtlich das Kommando. Seine Haut war so weiß wie Wachs und seine Finger waren doppelt so lang wie die eines Menschen. Obwohl Jenny nur einen flüchtigen Blick auf sein Gesicht werfen konnte, sah das Wesen bedrohlicher aus als die anderen, seine Züge waren noch unheilvoller.
    Es nahm etwas von dem Instrumentenwagen und ging auf die andere Seite von Dees Tisch hinüber. Dann schaute es zu Jenny auf, und Jenny sah, dass seine Augen blau waren.
    Nicht glitzernd schwarz wie die Augen der anderen Wesen  – sondern endlos tiefe blaue Seen, so tief wie ein Berg hoch ist. Augen, die in einen hineinschauten.
    Jenny starrte zurück und ihre eigenen Augen weiteten sich.

    Dann sah sie, was das Wesen in der Hand hielt. Eine Nadel. Dünn wie Draht, mörderisch lang, länger als eine Nadel für die Rückenmarkspunktion. Und der hochgewachsene Besucher hielt sie direkt über Dees Bauch.
    Dee atmete so heftig, dass ihr Bauch wie in einem wilden Krampf zuckte. Ihr Shirt klebte ihr am Leib, während sie sich verzweifelt hin und her wand, in dem aussichtslosen Versuch zu fliehen. Ihr verschwitztes Haar glitzerte im Licht des Scheinwerfers.
    »Fass sie bloß nicht an!«, rief Jenny. Zusehen zu müssen, wie Dee etwas angetan wurde, war noch schlimmer, als wenn es ihr selbst angetan worden wäre.
    Die Nadel schwebte jetzt direkt über Dees Nabel. Dee zog ihren Unterleib so fest wie möglich ein, um der Nadel auszuweichen. Sie schaukelte hin und her und wälzte sich in dem Versuch, den Tisch hinaufzurutschen, aber sie kam nicht von der Stelle. Das Licht über ihr wurde stärker und gleichzeitig ließ ihre Gegenwehr nach.
    »Du Bastard! Lass sie in Ruhe!«
    Was kann ich tun?, dachte Jenny. Sie musste dem ein Ende machen – aber wie?
    Das Licht.
    Plötzlich dämmerte es ihr. Das Licht über ihr war noch schwächer geworden, während Dees heller geworden war. Vielleicht konnte sie sich jetzt bewegen. Und wenn sie sich bewegen konnte …
    Sie begann, sich hin und her zu wiegen.
    Immerhin hatte sie ein wenig Kontrolle über ihren Körper.
Nicht viel. Ihre Arme und Beine waren immer noch so nutzlos wie große Brocken toten Fleischs. Aber sie konnte ihren Rumpf bewegen, ihren Kopf und ihren Hals. Mit aller Kraft schaukelte sie ihr Gewicht von einer Seite zur anderen.
    Dee sah sie an. Alle anderen Blicke, die Blicke all dieser schrägen, feuchtschwarzen Augen und der Blick des dunkelblauen Augenpaares ruhten auf Dees Bauch, auf der Nadel. Aber Dee, die ihren Kopf verzweifelt hin und her drehte, erhaschte genau in diesem Moment Jennys Blick, verharrte, und sie sahen einander an und kommunizierten ohne Worte. Dann begann Dee wieder, sich zu wehren.
    Je heftiger Dee kämpfte, umso heller wurde das Licht über Dee. Und umso dunkler wurde das über Jenny.
    Wenn du von diesem Tisch herunterfällst, hast du keine Chance mehr, es zu kontrollieren, sagte Jennys Verstand. Mindestens ein

Weitere Kostenlose Bücher