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Die Gejagte

Die Gejagte

Titel: Die Gejagte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa J. Smith
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etwas – warum?«
    Dee schüttelte den Kopf. »Und wer weiß, in welche Richtung wir gehen sollen? Besser, wir trennen uns.«
    Zuerst hätte Jenny am liebsten dagegen protestiert, aber nach all dem, was sie durchgemacht hatten, sollte sie auch allein in der Lage sein, mit einem Flur fertig zu werden. Sie setzte sich in Bewegung und verlor Dee sofort aus den Augen.
    Es kam ihr beinah schon normal vor, einen surrealen, mit schwarzem Teppich ausgelegten Flur entlangzugehen, der aus einem Horrorfilm zu stammen schien. Schätze, man kann sich an alles gewöhnen, dachte Jenny. Nach der blendend weißen Sterilität des Alien-Ufos wirkte dieser dunkle Ort fast behaglich.
    Es gab keine Türen. Selbst die Monstertür, die irgendwo in dieser Richtung liegen sollte, war verschwunden. Die winzigen Flammen der Kerzen zogen sich in die endlose Ferne. Als Jenny unter einem der Messingleuchter stehen blieb, um sich auszuruhen, kam ihr plötzlich wieder das Rätsel in den Sinn, das sie zuvor in ihren Hinterkopf
verbannt hatte. Wenn es einen von ihnen von hier wegbrachte, sollte sie es unbedingt zu lösen versuchen.
    Ich bin einfach zwei und zwei,
Mal kalt, mal heiß dabei,
Hab ich Kinder ohne Zahl.
Bin ein Geschenk für alle Zeit
Oder nur ein Zeitvertreib.
Geraubt gibt man mich ohne Qual.
    Was konnte das nur bedeuten? Zwei und zwei, heiß und kalt – wahrscheinlich war es in Wirklichkeit kinderleicht.
    »Wie gefällt dir das Spiel bisher?« Eine Stimme wie in Seide gehüllter Stahl.
    Schnell drehte sich Jenny um. Julian lehnte an der Wand. Er hatte sich wieder umgezogen; jetzt trug er gewöhnliche schwarze Jeans und ein schwarzes Shirt mit hochgekrempelten Ärmeln.
    Ihn so unvermittelt zu sehen, war ein Schock, wie eine eiskalte Dusche am Morgen.
    »Warst du das?«, fragte sie. »In dem Ufo dort oben?«
    »Das möchtest du wohl gern wissen!«, gab er zurück, aber seine Lider senkten sich für einen Moment, und die schweren Wimpern berührten sanft die Haut unter seinen Augen.
    »Warum hast du mich nicht fallen lassen?«
    »Wusstest du, dass deine Augen so dunkel sind wie Zypressen? Das bedeutet, dass du unglücklich bist. Wenn du glücklich bist, werden sie heller, ganz gold-grün.«

    »Woher willst du das wissen? Du hast mich doch noch nie glücklich gesehen .«
    Er warf ihr einen lachenden Blick zu. »Denkst du das? Aber ich bin ein Schattenmann, Jenny.« Während Jenny versuchte, sich einen Reim auf seine Worte zu machen, sprach er einfach weiter. »Zypressenaugen und von der Sonne glühende Haut … und dein Haar ist wie flüssiger Bernstein. Warum trägst du es so zurückgekämmt?«
    »Weil Tom es so mag«, sagte Jenny instinktiv, ihre Standardantwort. »Hör mal, was hast du damit gemeint …«
    Er schüttelte den Kopf und schnalzte mit der Zunge. »Darf ich?«, fragte er höflich und richtete sich auf. Sein Ton war so normal, so eifrig, dass Jenny wie automatisch nickte. Sie war noch immer auf ihre Frage konzentriert.
    »Was hast du – nein, nicht .«
    Er hatte das Gummiband aus ihrem Pferdeschwanz gezogen. Jenny spürte, wie ihr das Haar um den Hals fiel, und dann waren seine Finger darin.
    Ein fast unmerklicher Schauder überlief Jenny. »Nicht«, wiederholte sie. Sie wusste nicht, wie sie mit dieser Situation umgehen sollte. Er war nicht grob. Er wirkte immer noch freundlich und eifrig bemüht. Daher erschien ihr ein Hieb in den Magen – wie Dee es ihr beigebracht hatte für den Fall, dass Jungs ihr zu nahe kamen – etwas übertrieben.
    »Wunderschön«, murmelte er. Seine Berührung war so leicht wie das sanfte Klopfen einer Katzenpfote, und seine Stimme war wie schwarzer Samt. »Gefällt es dir nicht?«
    »Nein«, antwortete Jenny, aber sie konnte die Hitze in
ihrem Gesicht spüren. Sie stand jetzt mit dem Rücken zur Wand. Sie wusste nicht, wie sie von ihm wegkommen sollte – und das Schlimmste war, dass ihr Körper sich gar nicht sicher zu sein schien, ob er das überhaupt wollte. Seine kühlen Finger bewegten sich über ihre warme Kopfhaut und sie verspürte einen zarten Kitzel.
    »Habe ich dir schon etwas über deinen Mund gesagt?«, fragte er. »Nein? Er ist weich. Kurze Oberlippe, volle Unterlippe. Fast perfekt, nur dass er für gewöhnlich ein wenig sehnsüchtig wirkt. Es gibt etwas, das du willst, Jenny, und das du nicht bekommst.«
    »Ich muss jetzt gehen«, sagte Jenny hastig. Ihre Standardreaktion, wenn sie auf einer Party mal wieder einen Trottel loswerden wollte, der an ihr klebte. Sie war

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