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Die Gejagte

Die Gejagte

Titel: Die Gejagte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa J. Smith
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überbordenden Rausch. »Nicht diese. Das ist der Grund, warum du mich gefragt hast, ob du mein Haar berühren kannst. Das ist der Grund, warum
du versucht hast, dafür zu sorgen, dass ich dich küsse. Denn du kannst es nicht ohne meine Erlaubnis tun.«
    »Sei vorsichtig, Jenny«, sagte er. Sein Gesicht war kalt und grausam.
    Jenny lachte nur angespannt. »Wenn du mich gegen meinen Willen küssen kannst, dann beweise es«, verlangte sie. »Zeig es mir – tu es jetzt.« Und dann fügte sie einen italienischen Ausdruck hinzu, den sie von Audrey aufgeschnappt hatte. »Come osi!«
    Eine Provokation. Eine Herausforderung.
    Er rührte sich nicht.
    Jenny lachte wieder.
    »Ich glaube nicht, dass du das alles wirklich verstehst«, sagte er dann. »Ich werde dich bekommen, um jeden Preis. Um jeden Preis, Jenny, selbst wenn du dafür leiden musst. Wenn ich dich nicht zwingen kann, werde ich dich überreden  – und ich kann sehr überzeugend sein.«
    Jenny spürte, wie ihr Triumphgefühl schwand.
    »Erinnere dich daran, wo du bist, Jenny. Auf wessen Territorium du dich befindest. Erinnere dich daran, was ich in diesem Spiel tun kann.«
    Jetzt war Jenny wieder vollkommen nüchtern.
    »Du hast mich herausgefordert – ich werde dir wohl zeigen müssen, wozu ich in der Lage bin.«
    »Es kümmert mich nicht, was du mir antust.«
    »Vielleicht wird es gar nicht dich treffen. Siehst du deine Freundin dort? Auch sie spielt dieses Spiel.«
    Er schaute den Flur hinunter, in dieselbe Richtung,
in die Dee gegangen war. Im Schein einer fernen Kerze schimmerte etwas Kupferfarbenes. Jenny hielt den Atem an.
    »Wag es bloß nicht …«, drehte sich Jenny zu Julian um – und brach jäh ab. Er war verschwunden. Sie war allein.
    Jenny biss sich auf die Unterlippe. Sie war wütend, und zugleich hatte sie das Gefühl, dass es keine sehr gute Idee gewesen war, ihn auszulachen. Doch jetzt ließ sich daran nichts mehr ändern.
    »Audrey!«, rief sie und ging den Flur entlang.
    Audreys Haut, die gewöhnlich so bleich war wie Magnolienblüten, hatte im Schein der Kerze einen goldenen Schimmer angenommen, und ihr kastanienbraunes Haar war voller kupferner Akzente. Sie und Jenny umarmten einander, und Jenny dachte, dass nur Audrey es schaffte, unter so schrecklichen Umständen so ruhig und so elegant zu bleiben.
    »Du siehst aus, als würdest du jeden Moment die Forderung stellen, deinen Botschafter sehen zu dürfen«, sagte Jenny.
    »Wenn Daddy hier wäre, würde er sich um die Dinge kümmern«, stimmte Audrey zu. »Er würde den Ruhestand hinter sich lassen und es mit diesem Ort aufnehmen. Ist mit dir alles in Ordnung? Du wirkst ein wenig erhitzt.«
    Jenny presste verlegen eine Hand an die Wange. »Es ist das Licht«, sagte sie. »Ähm, wie lange bist du schon hier? Ich meine, hast du mich gesehen – bevor ich dich gerufen habe?«

    »Nein. Ich habe gesucht und gesucht – nach irgendjemandem, aber alles, was ich gesehen habe, war dieser nicht enden wollende Flur.«
    »Gut. Ich meine – wie gut, dass ich dich gefunden habe. Außer dir habe ich nur noch Dee getroffen. Sie ist dort hinten und sie ist gerade durch die Hölle gegangen. Und wenn mich nicht alles täuscht, dann bist du die Nächste. Aber das erkläre ich dir, während wir weitergehen.«
    Dass sie alle im Haus verteilt waren, dass sie in ihren Albträumen Türen fanden, dass es ein Zeitlimit bis zum Tagesanbruch gab und dass sie in den Albträumen verletzt werden konnten – das alles erklärte sie Audrey, bis sie Dee fanden. Und Jenny war sehr erleichtert, dass sie sie tatsächlich fanden; sie stand neben einer Tür.
    »Ich dachte, ich bewache sie besser, um sicherzustellen, dass sie nicht verschwindet«, sagte Dee, nachdem sie Audrey flüchtig zugenickt hatte.
    Audrey hatte nur eine Frage. »Ist er Nordländer, dieser Typ? Die sind angeblich total sexy.«
    Jenny ignorierte sie. »Da sich die Türen bewegen, woher wissen wir, dass dies nicht eine der beiden ist, die wir schon geöffnet haben?«
    »Wir wissen es nicht«, antwortete Dee und ließ ihr typisches Lächeln aufblitzen. Dees wilde, auffällige Schönheit hatte Audrey immer schon geärgert. »Immerhin hat sie keinen Schlüssel wie die erste Tür, aber ich schätze, wir sollten uns trotzdem lieber in Position bringen. Dahinter könnte alles lauern.«

    Dee und Jenny nahmen Kampfhaltung ein, um die Tür – wenn nötig – schnell wieder zutreten zu können. Audrey zog die Augenbrauen bis zu ihrem stachligen Pony hoch.

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