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Die Gejagte

Die Gejagte

Titel: Die Gejagte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa J. Smith
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hineinstürzen. Es würde schlimm werden. Wie schlimm, das musste sich erst noch herausstellen.
    Sie drückte auf den roten Knopf. Das blaue Licht ging an. Die verspiegelte Tür glitt auf.
    Sie erlaubte sich nicht, auch nur einen Blick in den vor ihr liegenden Raum zu werfen, bevor sie eintrat.
    Goldenes Sonnenlicht fiel schräg durch die kleinen Fenster hoch oben in den Wänden. Zu Jennys maßloser Überraschung verspürte sie einen Kitzel der Erregung und des Wiedererkennens.
    Sie erinnerte sich an diese Fenster! Sie erinnerte sich …
    Die Tür glitt hinter ihr zu, aber Jenny trat bereits in die Mitte des Raums und sah sich staunend um. Nahm die Farben in sich auf, die Fülle an Gegenständen.
    Er war kleiner, als sie erwartet hatte – und noch überfüllter. Aber es war der Keller ihres Großvaters.
    Ihr Großvater war nicht da.
    Das war wichtig. Auch damals war er nicht da gewesen, daran erinnerte sie sich genau. Sie hatte im Haus nach ihm gesucht, aber sie hatte ihn nirgendwo finden können.
    Also … hatte sie hier unten nachgesehen. So musste es wohl gewesen sein. Daran konnte sie sich zwar nicht genau erinnern, aber sie musste es getan haben.
    Jenny wandte sich wieder der Treppe zu, die oben vor einer blanken Mauer endete. Keine Tür. Natürlich, denn dies war ihr Albtraum. Ihr freudiges Gefühl des Wiedererkennens war jäh erloschen. Sie hatte keine Ahnung, was als Nächstes kam.

    Da entdeckte sie plötzlich die geisterhafte Gestalt eines Kindes, das von der obersten Stufe herunterblickte. Ein kleines Mädchen in Shorts, mit vom Wind zerzaustem Haar und einer Schürfwunde auf dem Knie.
    Sie selbst. Mit fünf Jahren.
    Es war beinah so, als liefe ein Film vor ihren Augen ab. Sie sah, wie die Flipflops des kleinen Mädchens auf die Stufen klatschten, als es die Treppe hinunterlief. Sie sah, wie die Lippen der Kleinen sich öffneten, als sie nach ihrem Großvater rief. Sie sah, dass sie überrascht am Fuß der Treppe stehen blieb, als sie merkte, dass er nicht hier unten war.
    Solange Jenny nur zuschaute, ohne das Geschehen beeinflussen zu wollen, lief der geisterhafte Film einfach weiter.
    Das kleine Mädchen schaute sich um und riss die grünen Augen weit auf, als sie begriff, dass sie hier unten völlig allein war. Etwas, das es bis dahin noch nie gegeben hatte.
    Das stimmte. Jenny erinnerte sich daran, dass die Tür zum Keller immer verschlossen gewesen war, wenn ihr Großvater sich nicht dort unten aufhielt. Aber nicht an diesem Tag. Jenny erinnerte sich an das köstliche verbotene Gefühl, an einem Ort zu sein, an dem sie nicht sein durfte. Sie konnte sich jedoch nicht daran erinnern, was als Nächstes geschah.
    Versuch nicht, dich zu erinnern. Du willst es zu sehr. Entspann dich und sieh einfach zu , was passiert.
    Und schon tauchte das kleine Mädchen wieder auf. Ihre
geisterhafte Erscheinung wirkte unsicher, wippte auf den Zehenspitzen und überlegte, ob sie bleiben oder gehen sollte.
    Sie entschied sich zu bleiben. Das Mädchen machte sich selbst Mut, indem sie sich mit gespielter Kühnheit umsah; dann saugte sie die Unterlippe zwischen die Zähne und wanderte gewollt unbefangen zu dem ersten Bücherregal hinüber.
    Okay, dachte Jenny. Sehen wir uns also an, was alles auf dem Regal steht. Sie folgte dem Kind. Das kleine Mädchen strich mit einem schmutzigen Finger über eine Reihe von Bücherrücken – deren Aufschrift sie nicht entziffern konnte. Natürlich konnte sie noch nicht lesen. Aber die sechzehnjährige Jenny konnte es.
    Einige Titel wie Goethes Faust oder auch UFOs: Eine neue Einschätzung waren nichts Ungewöhnliches . Andere aber klangen vollkommen fremd, wie Die Kabbalah und Über die okkulte Philosophie oder Das Galdrabók.
    Das kleine Mädchen ging weiter zum zweiten Regal, auf dem alle möglichen Gegenstände lagen. Dutzende kleine Holzschachteln mit gläsernen Deckeln, die mit etwas gefüllt waren, das nach Gewürzen aussah. Nein – Kräuter, dachte Jenny. Getrocknete Kräuter.
    Bunte Glaskugeln baumelten an Fäden herab und das kleine Mädchen ließ seine Finger fasziniert darüber gleiten. Die sechzehn Jahre alte Jenny interessierte sich mehr für das, was daneben lag: ein wie eine Schleife geformtes Kreuz – sie war sich sicher, dass es ein Anch war. Summers
Vater hatte einmal erzählt, das Anch sei ein ägyptisches Lebenssymbol, das Unglück fernhalte.
    Und dann dieses rautenförmige Ding aus Garn – ein mexikanisches Gottesauge. Ein aus bunten Schnüren gefertigtes

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