Die Gelbe Maske Kommissar Morry
der arroganten Jenny Bakersfield die Ersparnisse zu stehlen."
„Ich hätte mich niemals an der scheußlichen Tat beteiligt, wenn ich in der Lage gewesen wäre, die furchtbaren Konsequenzen zu übersehen. Nun ja, Jenny zeigte uns an, weil sie ahnte, daß wir das Geld gestohlen hatten, aber sie konnte uns nichts beweisen und wurde schließlich sogar wegen übler Verleumdung verurteilt! Das war zuviel für sie. Sie zerbrach am Leben, weil sie den Glauben an die Gerechtigkeit verloren hatte. Deshalb sprang sie von der Brücke ins Wasser."
„Soll ich jetzt ein paar Tränen vergießen, um dem armen Mädchen nachzutrauern? Ich hab' sie nicht darum gebeten, dem Leben Adieu zu sagen."
Es klopfte. Der Butler trat ein und brachte das Bestellte. Er zog sich sofort wieder zurück.
„Jade Daniel's!" murmelte Spinster, der zusah, wie Sutton die Gläser füllte. „Feine Marke. Du bist oben, Bryan, was? Ganz oben!"
„Hm."
„Du wirst auch oben bleiben wollen, nicht wahr?"
Sutton verkorkte die Flasche. „Du wirst mich nicht daran hindern, meinen Platz zu behalten", erklärte er ruhig. „Ich sollte dich rauswerfen, statt dich mit Whisky zu traktieren, aber ich habe Mitleid mit dir."
Spinsters schmale Lippen zuckten. In seinen Augen glitzerte es haßerfüllt. „Mitleid?“ fragte er wütend. „Darauf pfeife ich, mein Lieber!"
„Dir ist im Leben alles schief gegangen", fuhr Sutton ruhig fort. „Ich bin zwar davon überzeugt, daß die Ursache für diese Entwicklung bei dir liegt, aber du gehörst nun mal nicht zu den Leuten mit selbstkritischer Einstellung. Du glaubst, daß ich dir hunderttausend Dollar gebe? Irrtum, mein Lieber. Von mir bekommst du nicht einen Cent." Er reichte Spinster das Glas. Der schlug es Sutton aus der Hand. Das Glas zersplitterte an einem Tischbein.
„Ich pfeife auf deinen verdammten Whisky!" stieß Spinster wütend hervor. „Ich will etwas anderes, und ich werde es bekommen — noch heute!"
„Wie stellst du dir das vor?" fragte Sutton, ohne irgendwelche Erregung zu zeigen.
„Es stimmt. Wenn ich ausspucke, lande ich im Gefängnis, genau wie die anderen", sagte Spinster rasch. „Genau wie die anderen!" wiederholte er und atmete tief. „Genau wie du also! Ich habe nichts zu verlieren, mein Junge. Wenn man so oft gehungert hat, wie ich, wenn man so fertig ist wie Fred Spinster, dann betrachtet man einen Aufenthalt im Gefängnis als willkommene Erholung. Aber wie steht es mit dir, geachteter Bürger Bryan Sutton? Willst du dieses schöne Haus mit einer Gefängniszelle vertauschen? Willst du auf deinen wohlschmeckenden Jack Daniels verzichten, und auch auf Claire Cheerwater?"
Das Blut schoß in Suttons Wangen. „Was, zum Teufel, geht dich Claire Cheerwater an?"
„Nichts. Und andererseits eine ganze Menge."
„Scher' dich zum Teufel!"
„Du schickst mich weg?"
Sutton nagte an der Unterlippe. „Ich sollte dich umbringen." Dann lachte er plötzlich laut. „Aber das wird ein anderer."
Spinster verkniff die Augen. „Was soll das heißen?"
„Erst eine Frage. Wie lange bist du schon in Apron Town?"
„Seit gestern. Ich habe draußen am See geschlafen, und als du heute morgen mit dem Mädchen sprachst, habe ich euch belauscht. Fein, nicht wahr? Du dachtest, du wärest mit ihr allein, aber ich hatte mich hinter den Büschen zwischen den Felsen verborgen und konnte fast alles mithören. Du hast keinen üblen Geschmack, Bryan, das muß dir der Neid lassen."
„Seit gestern bist du also hier", meinte Sutton. „Naja, dann wirst du ja auch wissen, was Myers zugestoßen ist.“
„Als die Polizei kam, habe ich mich aus dem Staub gemacht. Per Anhalter bin ich dann nach Apron Town gekommen. Myers hat's gut! Der braucht nicht ins Gefängnis, wenn du mich zwingst, die Wahrheit auszusprechen."
Sutton nahm einen weiteren Schluck aus dem Glas. „Myers wurde ermordet", sagte er ruhig.
„Das ist mir bekannt, so viel habe ich da draußen mitbekommen."
„Erschossen..."
„Was, zum Teufel, geht mich Myers an?"
„Denke doch einmal darüber nach..."
„Mein Nachdenken konzentriert sich auf dich, Bryan Sutton! Natürlich ist es ein Jammer, daß Myers sterben mußte. Vielleicht wäre auch von ihm etwas zu holen gewesen — immerhin galt er als wohlhabender Geschäftsmann. Aber ein echtes Interesse habe ich nur an dir. Du hast aus dem Anfangskapital von achthundert Dollar das Beste gemacht. Wir alle bekamen den gleichen Anteil, aber keiner war so erfolgreich wie du. Ohne mich, ohne meine Idee,
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