Die Gelbe Maske Kommissar Morry
nicht wahr? Achthundert Dollar!"
Sutton war blaß geworden. „Du hattest den gleichen Betrag."
„Stimmt. Damals dachte ich, mit dem Geld könnte ich die ganze Welt erobern. Naja, was man mit Neunzehn halt so denkt."
„Achtzehn", korrigierte Sutton.
„Meinetwegen achtzehn. Ich ging nach Chicago. Hier in Apron Town war mir der Boden zu heiß geworden. In Chicago lernte ich so ein Flittchen kennen, und in weniger als zwei Wochen war der letzte Cent ausgegeben."
„Dein Pech."
„Wem sagst du das! Seitdem habe ich alles mögliche versucht, um auf die Füße zu fallen. Nichts wollte klappen. Ich war Tellerwäscher, Gleisarbeiter, Baumwollpflücker und Chauffeur. Nirgendwo hielt ich es lange aus. Frag mich nicht, warum. Ich hatte einfach nie die Chance, groß herauszukommen. Stets ging irgendetwas schief. Aber jetzt ist die Chance endlich da, Bryan, und ich bin entschlossen, sie zu nutzen."
„Du machst mich neugierig!" spöttelte Bryan Sutton.
Spinster grinste. „Meine große Chance bist du!"
„Du suchst Arbeit?"
Spinster lachte. „Zum Teufel damit! Ich habe in meinem Leben schon genug gearbeitet, und ich habe die Nase davon gestrichen voll!"
„Was willst du, wenn du keine Arbeit wünschst? Wie stellst du dir deine Zukunft vor?"
„Rosig, sehr rosig", meinte Spinster. „Ich werde in einem hübschen kleinen Haus wohnen. Nicht so groß wie dieses hier, aber doch imponierend genug, um damit ein paar netten Mädchen zu gefallen. Du wirst mir das Geld geben, das ich dazu benötige. Ich denke, daß für den Anfang Hunderttausend genügen."
Sutton blieb ganz ruhig. „Ich dachte es mir", meinte er gelassen. „Ich fühlte es, als ich dich sah. Du bist also gekommen, um mich zu erpressen?"
„Denk' mal zurück, Bryan. Wer hat denn damals vorgeschlagen, der hübschen Jenny ihre Ersparnisse abzuknöpfen? Das war doch meine Idee, nicht wahr?"
Suttons Gesicht wirkte wie eine Maske. „Gut, daß du dich daran erinnerst!"
„Okay, erst hatten ein paar von euch Bedenken, aber dann reizte euch der Gedanke, rasch zu Geld zu kommen! Es wurde so viel von Jennys Tüchtigkeit gemunkelt, von ihren Ersparnissen, die sie nicht zur Bank zu tragen wagte, weil sie den Banken mißtraute."
„Daran brauchst du mich nicht zu erinnern", sagte Sutton mit kühler, spröder Stimme. „Ich weiß sehr gut, wie das damals war."
„Ach ja!" höhnte Spinster. „Beinahe hätte ich vergessen, daß deine Erinnerung ja sehr viel lebendiger ist als meine. Nun, dann wirst du dich an alle Einzelheiten..."
„Hör auf!" unterbrach Sutton mit scharfer Stimme.
Spinster lachte leise. „Wie ich sehe, liebst du es nicht, an die Vergangenheit erinnert zu werden."
„Ich habe keine Ursache, darauf stolz zu sein. Es war ein dummer, unverantwortlicher Jugendstreich, und ich empfinde tiefste Scham, wenn ich heute daran denke!"
„Ah... Hut ab vor Bryan Sutton!" höhnte Spinster. „Ein Mann von Ehre und Gewissen! Er empfindet Scham, weil er im Alter von neunzehn — pardon, achtzehn! — mit einer Clique ehemaliger Klassenkameraden ein junges Mädchen um ihre Ersparnisse brachte."
„Das ist es nicht. Was ich nicht vergessen kann, ist die Tatsache, daß wir Jenny in den Tod getrieben haben."
„Sie war ein dummes Gänschen. Es ist nicht unsere Schuld, daß sie sich von der Brücke in den Fluß stürzte!"
„O doch, es ist unsere Schuld. Du vergißt den Brief, den sie hinterlassen hat."
„Haben wir sie darum gebeten, Selbstmord zu begehen?" fragte Spinster.
„Wir haben sie zerbrochen. Du weißt, wie hart sie jahrelang gearbeitet hat, um das Geld zusammenzubekommen. Sie wollte einen Laden haben. Das war ihr Ziel."
„Eine fixe Idee!" unterbrach Spinster verächtlich.
„Du hast nie gewußt, was es heißt, zielstrebig einen Entschluß zu verfolgen. Jenny hat Tag und Nacht gearbeitet, um die Grundlage für den Ladenkauf zu schaffen. Sie war hübsch, sehr hübsch sogar, aber sie mißtraute den Männern, und sie wollte auf eigenen Füßen stehen."
„Das war es ja, was uns verrückt machte!" erinnerte sich Fred. „Sie wollte nichts von uns wissen. Sie war arrogant und hochnäsig. Deshalb sind wir erst auf den Gedanken gekommen, ihr eine Lektion zu erteilen. Das war doch der Ausgangspunkt unserer Handlungsweise, oder?"
„Ach was, du hast nur einen Grund gesucht, um an Jennys Geld heranzukommen!"
„Ist ja auch egal. Jedenfalls waren schließlich alle von der Partie, auch der heute hochangesehene Mr. Bryan Sutton. Er beteiligte sich daran,
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