Die gelben Augen der Krokodile: Roman (German Edition)
Jahrhundert.
Ich muss mir einen Namen für das Dorf ausdenken. Abends kommen die Verwandten und Nachbarn zusammen. Eines Abends also, als die Großeltern, die Kinder, die Enkel, die Cousins und Cousinen zusammensitzen, erfahren sie, dass der Graf von Castelnau von einem Kreuzzug zurückgekehrt ist. Wilhelm Langschwert ist ein tapferer Edelmann, er ist reich und schön.
An dieser Stelle füge ich eine Beschreibung von Wilhelm ein …
Sein goldenes Haar leuchtet in der Sonne, und seine Soldaten erkennen ihn in der Schlacht an seiner wallenden Mähne, die wie eine Standarte im Wind weht. Der König ist auf ihn aufmerksam geworden und hat ihm Land übertragen, das Wilhelms Grafschaft vergrößert. Er besitzt eine prächtige Burg, die seine verwitwete Mutter in seiner Abwesenheit verwaltet hat, und dazu ausgedehnte, fruchtbare Ländereien. Er ist auf der Suche nach einer Braut, und alle stellen Mutmaßungen darüber an, wer wohl die zukünftige Gräfin sein wird. An diesem Abend will Florine ihren Eltern verkünden, dass sie beschlossen hat, der Regel des heiligen Benedikt zu folgen und ins Kloster einzutreten.
Ich fange also mit dem Abend an. Florine wartet auf eine Gelegenheit,
mit ihrer Mutter zu sprechen. Nein, mit ihrem Vater … Der Vater ist wichtiger.
Man sieht, wie sie Erbsen enthülsen, Mangold putzen, Kleidung ausbessern, säubern, flicken, alle widmen sich häuslichen Tätigkeiten und plaudern dabei. Sie reden über ihren Alltag, die neuesten Skandale im Dorf (Männer, die der Bigamie beschuldigt werden, eine Bäuerin, die ihr neugeborenes Kind hat verschwinden lassen, den Pfarrer, der den jungen Mädchen hinterherläuft …), sie spotten, sie seufzen, sie unterhalten sich über die Schafe, den Weizen, den fiebernden Ochsen, den Weinberg, über die Wolle, die gekämmt, über die Saat, die gekauft werden muss; dann wendet sich das Gespräch den ewig gleichen Themen zu: den Gebäuden, an denen ständig Reparaturen nötig sind, den Kindern, die es unter die Haube zu bringen gilt, den zu zahlreichen Steuern, den zu häufigen Geburten, den Kindern, die »nichts tun, außer essen« …
Dann rücke ich Florines Mutter in den Vordergrund. Eine gierige, hartherzige, selbstsüchtige Frau, der Vater dagegen ist freundlich und gut, aber er steht unter der Fuchtel seiner Frau.
Florine versucht, die Aufmerksamkeit ihres Vaters zu erregen und sich am Gespräch zu beteiligen. Vergebens. Kinder dürfen nicht sprechen, solange man sie nicht dazu auffordert, und wenn Florine das Wort an ihre Eltern richtet, muss sie dabei einen Knicks machen. Also schweigt sie und wartet auf den passenden Moment, um sich zu offenbaren. Eine alte Tante grummelt unwirsch vor sich hin, fordert, sie sollen nicht von solch nichtigen Dingen reden, sondern über Erhabeneres. Florine sieht sie an und hofft, dass sie von Gott zu sprechen beginnt, sodass sie ihr Anliegen vorbringen kann. Doch niemand beachtet die alte Tante, und Florine bleibt stumm. Endlich wendet sich der Hausherr, dem alle Familienmitglieder Respekt schulden, seiner Tochter zu und fordert sie auf, ihm seine Pfeife zu holen.
Wie damals, als ich klein war! Ich war diejenige, die meinem Vater die Pfeife holte. Maman hatte ihm verboten, im Haus zu rauchen. Also ging er dazu nach draußen auf den Balkon, und ich folgte ihm. Er zeigte mir die Sterne und brachte mir ihre Namen bei …
Florines Vater raucht im Haus; und Florine stopft seine Pfeife. Sie nutzt die Gelegenheit, um ihm von ihrem Vorhaben zu erzählen. Als
ihre Mutter davon hört, gerät sie außer sich. Das kommt überhaupt nicht in Frage, Florine wird den Grafen von Castelnau heiraten!
Florine sträubt sich. Behauptet, Gott sei ihr Verlobter. Der Vater befiehlt ihr, in ihre Kammer zu gehen und dort über das vierte Gebot Gottes nachzudenken: Du sollst Vater und Mutter ehren.
Florine zieht sich in ihre Kammer zurück.
An der Stelle werde ich den Raum beschreiben: ihre Truhen, ihre Wandbehänge, ihre Heiligenbilder, ihre Bänke und Schemel, ihr Bett. Die hölzernen und lederbezogenen Truhen sind mit zahlreichen Schlössern versehen. Die Truhenschlüssel zu verwahren ist ein Zeichen häuslicher Macht. Als alle anderen fort sind, hört Florine ihre Eltern im Nebenzimmer. Manchmal beklagt sich ihre Mutter: »Ich habe nichts anzuziehen, du vernachlässigst mich … Diese oder jene Frau ist besser gekleidet als ich, ist geachteter als ich, alle finden mich lächerlich …« Sie jammert ununterbrochen, und ihr Mann
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