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Die gelben Augen der Krokodile: Roman (German Edition)

Die gelben Augen der Krokodile: Roman (German Edition)

Titel: Die gelben Augen der Krokodile: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Pancol
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ein Kinderspiel. Dann brauche ich mir nur noch ein passendes Image auszudenken, eine Frisur, ein exzentrisches Auftreten, zwei, drei sprachliche Eigenheiten, eine Vergewaltigung, als ich elf war, zwei, drei Linien Koks, und alles ist geritzt! Diese Mittagessen mit Bérengère waren eine perfekte Vorbereitung auf das, was sie erwartete, deshalb verabredete sie sich so oft wie möglich mit ihr. Als Training für die Fragen der Journalisten, die sie später würde beantworten müssen.
    »Und was ist mit dem Decretum des Burkhard von Worms? Hast du davon schon mal gehört?«
    »Ich hab nicht mal Abitur, Iris«, entgegnete Bérengère verschreckt. »Ich wurde nicht zum mündlichen Teil zugelassen!«
    »Das war ein drastischer Fragenkatalog der Kirche, mit dem die weibliche Sexualität reguliert werden sollte. Mit grauenvollen Fragen: ›Hast du dir eine gewisse Maschine in passender Größe gefertigt, hast du sie vor dein Geschlecht oder das einer Gefährtin gebunden und mit Hilfe dieses oder eines sonstigen Geräts mit anderen bösen Weibern Unzucht getrieben?‹«
    »Was? Damals gab es schon Dildos?«
    Bérengère konnte es kaum glauben.
    »Hast du mit deinem Knaben gehurt? Hast du ihn auf dein Geschlecht gesetzt und dich wie beim Huren gebärdet?«
    »Wow …«, rief Bérengère fassungslos.
    »Hast du dich einem Tier dargeboten? Hast du es durch irgendeine Machenschaft zum Koitus angeregt? Hast du den Samen deines Mannes gekostet, damit er stärker in Liebe zu dir brennt? Hast du ihm dein Menstruationsblut zu trinken gegeben, oder hast du ihn Brot aus einem Teig essen lassen, der auf deinem nackten Hinterteil geknetet wurde?«
    »Nein, nie«, antwortete Bérengère verunsichert.
    »Hast du deinen Körper an Liebhaber verkauft, damit sie sich daran laben? Oder den Körper einer anderen, deiner Tochter, deiner Enkeltochter?«
    »Das klingt ja, als wäre es von heute!«
    »Und genau das hilft mir beim Schreiben. Der Rahmen, die Kleider, die Ernährung, der Lebensrhythmus, all das verändert sich, aber die Gefühle und Reaktionen der Menschen bleiben leider Gottes immer gleich …«
    Noch ein Argument, dass sie sich bei Joséphine abgelauscht hatte. Sie war zufrieden mit sich. Sie hatte Auszüge aus dem Decretum auswendig gelernt und sie fehlerlos aufgesagt. Die dumme Gans ist perfekt, sie wird allen wichtigen Leuten in Paris von unserem Treffen erzählen, und niemand wird je auf die Idee kommen, dass ich das Buch gar nicht selbst geschrieben habe. Wenn es in ein paar Monaten erscheint, wird sie behaupten, ich war doch dabei, ich war dabei, ich habe gesehen, wie sie sich mit ihrem Roman abgerackert hat! Soll ich jetzt aufhören, oder versetze ich ihr noch einen letzten Schlag?
    Sie entschied sich für den Schlag, beugte sich zu Bérengère hinüber, die schon einige Male abgetrieben hatte, und flüsterte drohend: »Hast du die Frucht deines Leibes getötet? Sie ausgetrieben, sei es durch Hexerei, sei es durch Kräuter?«
    Bérengère hielt sich eine Hand vors Gesicht.
    »Hör auf, Iris! Du machst mir Angst.«
    Iris lachte auf.
    »Ungewollte Babys wurden erstickt oder in kochendes Wasser geworfen. Und solche, die zu oft weinten, schob man in die schmalen Bogenscharten der Burgmauern und betete zu Gott oder dem Teufel, dass er es gegen ein leiseres austauschen möge.«
    Bérengère schrie entsetzt auf und flehte um Gnade.
    »Hör sofort auf, oder ich gehe nie wieder mit dir essen.«
    »O verdammte Seele, ich trete Wollust und Eitelkeiten dieser Welt mit Füßen und mache meinen Leib zu einer lebenden Hostie!«
    »Amen«, entgegnete Bérengère, die endgültig genug hatte. »Und was ist mit Philippe, wie reagiert der?«
    »Er ist ziemlich überrascht, muss ich sagen … Und er respektiert, dass ich mich zurückziehe. Er ist ein wahrer Schatz, er kümmert sich die ganze Zeit um Alexandre.«
    Das war nicht ganz falsch. Philippe wunderte sich über die vermeintliche neue Beschäftigung seiner Frau. Er sprach sie nie darauf an, aber es stimmte, dass er sich viel Zeit für Alexandre nahm. Er kam jeden Tag um sieben Uhr aus dem Büro nach Hause, verbrachte einige Zeit im Zimmer seines Sohnes, fragte ihn, was er gelernt habe, half ihm bei seinen Problemen in Mathematik und ging mit ihm ins Fußballstadion oder zum Rugby. Alexandre war überglücklich. Bei allem, was er tat, ahmte er seinen Vater nach, er steckte mit gewichtiger Miene die Hände in die Hosentaschen, benutzte Wörter, die er von Philippe gehört hatte, und

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