Die gelben Augen der Krokodile: Roman (German Edition)
erklärte mit dem gleichen Ernst wie sein Vater: »Das ist unfassbar!« Iris hatte in der Detektei angerufen und mitgeteilt, dass sie keine weitere Observierung ihres Mannes wünsche. »Das trifft sich gut«, hatte der Inhaber gesagt, »offenbar hat man uns bemerkt.«
»Ach, ich habe mir ganz umsonst Sorgen gemacht, es handelte sich bloß um ein simples geschäftliches Treffen meines Mannes!«, hatte Iris erwidert, um das Gespräch so schnell wie möglich zu beenden.
So simpel nun auch wieder nicht, hatte der Detektiv gedacht. Philippe Dupin hatte ihn aufgesucht und ihm zu verstehen gegeben, er werde dafür sorgen, dass er seine Lizenz verliere, wenn er die Beschattung nicht sofort einstelle. Er habe die Möglichkeiten dazu. Er schien nicht zu scherzen. Ohne zu warten, bis er dazu aufgefordert wurde, hatte er sich in den schweren ledernen Sessel vor dem Schreibtisch gesetzt. Hatte die Unterarme auf die Lehnen gelegt, die Beine übereinandergeschlagen und seine Manschetten straff gezogen. Eine Weile hatte er schweigend dagesessen. Erst dann hatte er leise zu sprechen begonnen. Der kalte Blick aus seinen halb geschlossenen
Augen machte deutlich, dass seine Worte keine leeren Drohungen waren. »Das wäre alles, ich hoffe, ich habe mich klar ausgedrückt…« Er war aufgestanden und hatte den Blick durch den Raum schweifen lassen, als machte er eine Bestandsaufnahme. Der Inhaber der Detektei hatte Anstalten gemacht, ihn hinauszubegleiten, doch Philippe Dupin hatte ihm so beiläufig gedankt wie einem Dienstboten und war ohne ein weiteres Wort zur Tür gegangen. Der Detektiv hatte es vorgezogen, die Akte zu schließen, noch bevor die schöne Madame Dupin ihn angerufen hatte.
Nach dem Essen mit Bérengère setzte sich Iris ins Auto und fuhr auf direktem Weg zu Joséphine. Sie musste ihr unbedingt erzählen, wie sie Bérengère zum Narren gehalten hatte. Aber in Courbevoie angekommen, stand sie vor verschlossener Tür. Sie verfluchte ihre Schwester dafür, dass sie kein Handy besaß und nie erreichbar war. Dann machte sie kehrt und fuhr zurück nach Hause, um an ihrem Auftritt als erfolgreiche Romanautorin zu feilen. Sie durfte nichts dem Zufall überlassen. Musste sich darauf vorbereiten, alle möglichen Fragen zu beantworten, musste sich aufsehenerregende Antworten zurechtlegen. Und lesen, viel lesen. Sie hatte Jo gebeten, ihr eine Liste mit Büchern zusammenzustellen, die sie auf jeden Fall kennen musste, las sie durch und machte sich Notizen. Carmen erhielt die Erlaubnis, ihr den Tee zu bringen. Schweigend.
Manchmal dachte sie an Gabor. Vielleicht würde er das Buch lesen. Womöglich würde er es sogar verfilmen wollen! Sie würden zusammen am Drehbuch arbeiten … So wie früher! Wie früher … Sie seufzte und kuschelte sich tiefer in das weiche Sofa vor ihrem Lieblingsbild, dem Bild, das sie an Gabor erinnerte. Sie konnte ihn einfach nicht vergessen.
Joséphine war in die Bibliothek geflüchtet. Durch die weit offenen Fenster, die sich zu einem Garten im französischen Stil hin öffneten, fiel ein friedliches, geradezu klösterliches Licht in den Raum und verlieh der Atmosphäre eine sanfte Aura von Ruhe und Beschaulichkeit. Sie hörte das Zwitschern der Vögel, das rhythmische Spritzen eines Bewässerungsschlauchs, die Stimmung war bukolisch und zeitlos.
Ich könnte jetzt genauso gut in Florines Burg sein …
Sie hatte ihre Notizen auf dem Tisch ausgebreitet und zeichnete den Aufbau ihrer Geschichte nach. Florine ist zum ersten Mal Witwe geworden. Wilhelm Langschwert war auf ihren Rat hin zu einem weiteren Kreuzzug aufgebrochen. Es ist nicht recht, mein Freund, dass Ihr auf Eurer Burg bleibt, während der Name Gottes in fernen, gottlosen Ländern Euren Heldenmut verlangt. Eure Männer spotten über Eure Verliebtheit und zweifeln Eure Männlichkeit an. Ihre schändlichen Reden schmerzen und peinigen mich. Greift erneut zu den Waffen! Wilhelm hatte sich dem Wunsch seiner jungen Gemahlin gefügt. Nach sechs Monaten ehelichen Glücks hatte er seine Rüstung wieder angelegt, war aufs Pferd gestiegen und in den Orient gezogen, um Krieg zu führen. Nachdem er dort einen Schatz gefunden und diesen sofort zu Florine nach Hause hatte schicken lassen, schnitt ihm ein Maure aus Eifersucht auf seine Tapferkeit und Schönheit die Kehle durch. Florine weinte über ihrem Berg von Goldmünzen und verschleierte sich aus Kummer und Frömmigkeit. Aber ihre Stellung als gramgebeugte junge Witwe weckte Begehrlichkeiten.
Man
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