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Die gelben Augen der Krokodile: Roman (German Edition)

Die gelben Augen der Krokodile: Roman (German Edition)

Titel: Die gelben Augen der Krokodile: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Pancol
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will sie zwingen, erneut zu heiraten. Man bedrängt sie mit Freiern, die sie allesamt abweist. Man droht, ihr ihren Besitz wegzunehmen. Ihre Schwiegermutter klagt. Florine müsse reagieren! Es sei ihre Pflicht als Frau und Gräfin. Sie fleht und bittet und lässt ihr kaum eine ruhige Minute. Doch Florine hat nur einen Wunsch: in Frieden auf ihrer Burg zu leben, zu fasten, zu beten und Gott zu verehren. Sie hatte keine Zeit gehabt, einen Erben zu empfangen, der sie vor diesen Angriffen schützen könnte, indem er dem Namen seines Vaters Respekt verschaffte …
    In jener Zeit ist das Leben einer jungen Witwe ein harter Kampf, und Florine bleibt nichts anderes übrig, als wieder zu heiraten, wenn sie nicht will, dass man ihr Wilhelms Schatz raubt und den Namen ihrer Familie in den Schmutz zieht. Sie hat keine andere Wahl. Überdies erfährt sie von Isabeau, ihrer treuen Zofe, dass ein Komplott gegen sie geschmiedet wird. Der benachbarte Burgherr, Étienne der Schwarze, hat sich die Dienste einer Söldnerbande erkauft, die sie entführen und entehren soll, damit er selbst sich ihrer Ländereien bemächtigen kann, ohne auf Widerstand zu stoßen! Entführungen waren damals ein weit verbreitetes Mittel, um einen Landstrich in
seine Gewalt zu bringen. Florine fügt sich also in eine Heirat. Sie wählt den sanftmütigsten, bescheidensten Verehrer, denjenigen, der ihren frommen Plänen nicht im Weg stehen wird: Thibaut de Boutavant, genannt Thibaut der Troubadour. Er stammt aus einer angesehenen Familie, ist ehrlich und rechtschaffen und verbringt seine Tage damit, von Florine zu träumen, Minnelieder zu verfassen und Laute zu spielen. Doch noch müssen die anderen Burgherren dazu gebracht werden, ihre Verbindung anzuerkennen! Florine wird sie vor vollendete Tatsachen stellen und eines Nachts heimlich in der kleinen Burgkapelle heiraten. Sie besticht den Priester, der sie trauen soll, mit einer hohen Summe. Am darauf folgenden Tag veranstaltet sie ein Bankett, bei dem sie den genarrten Freiern ihren neuen Gemahl präsentiert. Der Wein fließt in Strömen, gascognischer Wein, denn den englischen Wein »muss man mit geschlossenen Augen und zusammengebissenen Zähnen trinken«, weil er so schlecht ist, und bald liegen die Freier betrunken unter den Tischen. Thibaut pflanzt sein Banner auf den Burgmauern auf, um allen zu zeigen, dass er der alleinige Herr ist.
    Beim Schreiben ließ sich Joséphine häufig von Menschen inspirieren, die sie kannte. Sie verwendete einen Charakterzug, manchmal mehrere. Manchmal auch nur einen flüchtigen Eindruck. Es sollte gar nicht alles stimmen. So hatte sie ihren eigenen Vater als Vorbild für Florines Vater genommen. Und sie hatte das Gefühl, ihn dadurch endlich wirklich kennenzulernen. Sie erinnerte sich daran, dass sie ihren Vater als Kind bewundert und ihm seine Kalauer verziehen hatte, weil sie begriffen hatte, dass sie für ihn ein Weg waren, sich zu entspannen. Wenn er abends müde und von Sorgen geplagt nach Hause kam, verschafften ihm die schlichten Wortspiele Erleichterung. Erinnerungsfetzen stiegen in ihr auf. Sie begriff sein Schweigen, begriff Worte, die sie damals nicht verstanden hatte. Sie sagte sich, dass sie Fleiß, Recht und Autorität schätzte, weil ihr Vater diese Werte verkörpert hatte. Ich bin keine Rebellin, keine Kämpfernatur, ich habe seine Demut geerbt; ich respektiere diese Haltung. Ich mag es, andere zu bewundern. Ich mag Menschen, die mir überlegen sind, und das liegt sicher daran, dass ich die Tochter meines Vaters bin. Er war für mich eine rätselhafte Persönlichkeit, zurückhaltend und anspruchsvoll zugleich. Ich
verstand, dass das Schweigen seine Art war zu kämpfen, seine Art zu suchen. Erst durch die Begegnung mit Menschen, die nichts erwarten, die nichts suchen, habe ich begriffen, wie reich mein Vater war. Er hat immer nach nutzlosen Dingen gestrebt. Und deshalb brauche ich heute Ritter, bettelarme Könige und jene fernen Zeiten, in denen die Regel des heiligen Benedikt Demut pries.
    Manchmal kamen auch Erinnerungen wieder, die sich nicht so leicht einordnen ließen. Wie Treibholz fügten sie sich zu einem Muster, das sie nicht entschlüsseln konnte. Dieser schreckliche, stumme Zorn ihres Vaters während eines sommerlichen Gewittertags an der Atlantikküste … Das einzige Mal, dass er die Stimme gegen ihre Mutter erhoben hatte, dass er sie als »Kriminelle« bezeichnet hatte. Das einzige Mal, dass ihre Mutter nichts erwidert hatte. Sie erinnerte sich

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