Die gelben Augen der Krokodile: Roman (German Edition)
doch eine gute Neuigkeit.«
»Du kannst dir nicht vorstellen, wie mir das an die Nieren geht! Ich bin völlig fertig. Ich hatte schon Angst, ich würd es nicht mehr bis zu dir schaffen. Und so weit ist es ja nun wirklich nicht. Aber es war, als hätten sich meine Beine einfach davongemacht! Ist ja auch kein Wunder: Wir warten schon so lange darauf, dass ich schon nicht mehr daran geglaubt hatte.«
Plötzlich durchzuckte sie ein fürchterlicher Gedanke, und sie klammerte sich an die Tischkante.
»Hoffentlich verkrümelt es sich nicht wieder! Es heißt doch, dass es in den ersten drei Monaten noch abgehen kann! Kannst du dir vorstellen, wie unglücklich Marcel wäre, wenn ich sein Ei zerbreche?«
»Mal jetzt nicht den Teufel an die Wand. Du bist schwanger, das ist eine gute Nachricht!«
Ginette nahm die Kaffeekanne und schenkte ihr eine Tasse ein.
»Magst du ein Brot? Du musst jetzt für zwei essen!«
»Wenn’s sein muss, esse ich auch für vier, damit er schön dick und rund wird! Mit fast vierzig! Kannst du dir das vorstellen? Ist das nicht ein Wunder?«
Sie legte eine Hand auf ihre Brust, um ihr wild klopfendes Herz zu beruhigen.
»Okay … Jetzt reiß dich zusammen, du hast noch acht Monate vor dir, und wenn du weiter so heulst, siehst du bald nichts mehr, weil deine Augen total verquollen sind.«
»Du hast recht. Aber es tut so gut, vor Freude zu weinen, glaub mir, das ist mir noch nicht oft passiert.«
Ginette lächelte gerührt und streichelte ihren Arm.
»Ich weiß, Josiane, ich weiß … Jetzt fängt der beste Teil deines Lebens an; du wirst schon sehen, wie dich dein Marcel ab jetzt verwöhnen wird.«
»Der wird sich freuen, darauf kannst du wetten! Ich muss bloß aufpassen, wenn ich’s ihm sage, nicht dass er noch vor lauter Freude ’nen Herzkasper bekommt …«
»Ach was, so viel Sport, wie der seit Neuestem treibt, da hält sein Herz das aus. Jetzt geh arbeiten und versuch, deine Zunge noch ein paar Tage im Zaum zu halten …«
»Da werd ich ’nen Knoten reinmachen müssen.«
Sie ging zurück in ihr Büro und puderte sich die Nase. Sie hatte gerade das Puderdöschen weggeräumt, als sie die Schritte von Henriette Grobz auf der Treppe hörte. Die hat ja ’ne Art zu laufen! Diese X-Beine. So wie die ihre Knie aneinanderreibt, müssen sie komplett verschlissen sein.
»Guten Tag, Josiane«, posaunte Henriette und musterte die Sekretärin ihres Mannes etwas freundlicher als sonst. »Wie geht es Ihnen?«
»Guten Tag, Madame«, antwortete Josiane.
Was macht der alte Hutständer denn in aller Herrgottsfrühe im Büro? Und was soll dieses Gesäusel? Die will doch garantiert was von mir.
»Meine liebe Josiane«, begann Henriette zögerlich, »ich möchte Sie etwas fragen, aber das muss unbedingt unter uns bleiben, mein Mann darf nichts davon erfahren. Er könnte es mir übel nehmen, wenn ich ihn in einer Angelegenheit übergehe, die sein Business betrifft…«
Henriette Grobz liebte es, ihre Sätze mit englischen Wörtern zu garnieren. Sie fand das schick.
»Wissen Sie, Männer mögen es nicht, wenn man klarer sieht als sie selbst, und mir scheint, dass mein Mann sich da in etwas verrannt haben könnte …«
Sie suchte nach Worten. Sie weiß nicht genau, woran sie ist, dachte Josiane, sonst würde sie hier nicht so freundlich tun. Ich soll ihr einen Gefallen tun, und sie schleicht darum herum wie die Katze um den heißen Brei.
»Nur raus damit«, sagte sie, während ihr gleichzeitig Henriettes teure Handtasche in die Augen stach.
Die ist bestimmt nicht aus Plastik. Die alte Ziege kauft nur echtes Kroko! Aber das passt zu ihr, die würde ihre eigene Tochter fressen, wenn’s sein müsste.
Henriette zog ein Foto aus ihrer Handtasche und zeigte es Josiane.
»Kennen Sie diese Frau? Haben Sie sie schon einmal hier im Büro gesehen?«
Josiane warf einen Blick auf die hübsche dunkelhaarige Frau mit ansprechender Oberweite, die Henriette Grobz ihr unter die Nase hielt, und schüttelte den Kopf.
»Auf den ersten Blick nicht … Noch nie gesehen.«
»Sind Sie sicher?«, wollte Henriette wissen. »Schauen Sie doch noch einmal genauer hin.«
Josiane nahm das Foto in die Hand und bekam einen Schock. Da war sie wohl tatsächlich etwas voreilig gewesen. Etwas verdeckt neben der dunklen Schönen stand Marcel, freudestrahlend und glückselig, und hatte einen Arm um die Taille der Unbekannten gelegt. Kein Zweifel möglich! Das war er. Sie erkannte Marcels Siegelring, den er sich anlässlich
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