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Die gelben Augen der Krokodile: Roman (German Edition)

Die gelben Augen der Krokodile: Roman (German Edition)

Titel: Die gelben Augen der Krokodile: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Pancol
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treuen und aufmerksamen Bediensteten.‹ Sie ist so rührend, wenn sie über ihn spricht. Fast wie ein kleines Mädchen. John Brown war damals sechsunddreißig Jahre alt, er hatte einen struppigen Bart und war sehr empfindsam, ihm kamen schnell die Tränen. Er sprach ein kaum verständliches Englisch und hatte ausgesprochen bäuerische Manieren. Sehr schnell entwickelte sich ihre wachsende Vertrautheit zu einem Skandal. Man nannte Victoria nur noch Mrs. Brown. Man bezichtigte sie, den Verstand verloren zu haben, es hieß, sie sei verrückt geworden. Die Beziehung wurde als der ›Brown-Skandal‹ bekannt. Die Zeitungen schrieben: ›Der Schotte wacht mit Alberts Augen über sie.‹ Denn Brown überschritt mehr und mehr seine Kompetenzen. Bei offiziellen Anlässen trat er an ihrer Seite auf. Er hatte sich unentbehrlich gemacht, sie tat keinen Schritt mehr ohne ihn. Sie erhob ihn in den Rang eines Esquire, den untersten Adelsrang, kaufte ihm Häuser, die sie mit dem königlichen Wappen schmückte, und nannte ihn in aller Öffentlichkeit den ›kostbarsten Schatz meines Herzens‹. Man fand Briefe, die sie an ihn geschrieben und mit ›I can’t live without you. Your loving one‹ unterzeichnet hatte. Die Leute waren entsetzt …«
    »Man könnte fast meinen, du sprichst von Diana!«, rief Joséphine,
die aufgehört hatte, in ihrer Hängematte hin und her zu schaukeln, um nicht abgelenkt zu werden.
    »John Brown hatte zu trinken begonnen. Wenn er sturzbetrunken hinfiel, sagte Victoria lächelnd: ›Ich glaube, ich habe gerade ein leichtes Erdbeben gespürt.‹ Er war der Mann im Haus. Er kümmerte sich um alles, entschied alles. Bei königlichen Bällen tanzte er mit der Königin und trat ihr auf die Füße, ohne dass sie ihn zurechtwies. Manche nannten ihn sogar schon Rasputin! Als er 1883 starb, war sie genauso unglücklich wie nach Alberts Tod. Browns Zimmer blieb unangetastet, sein großer Kilt lag auf einem Sessel ausgebreitet, und sie legte jeden Tag eine frische Blume auf sein Kopfkissen. Sie beschloss, ein Buch über ihn zu schreiben, weil sie fand, er sei zu Lebzeiten zu Unrecht in den Schmutz gezogen worden. Sie schrieb zweihundert überschwängliche Seiten, und nur mit Mühe konnte man sie davon abhalten, sie zu veröffentlichen. Später tauchten über dreihundert höchst kompromittierende Briefe auf, die Victoria John geschrieben hatte. Sie wurden aufgekauft und verbrannt. Und ihr Tagebuch wurde im Nachhinein umgeschrieben.«
    »Davon habe ich noch nie etwas gehört!«
    »Kein Wunder, so etwas steht ja auch nicht in den Geschichtsbüchern. Es gibt die offizielle Geschichte und die private Geschichte. Die Großen dieser Welt sind nicht anders als wir: schwach, verletzlich und vor allem sehr, sehr einsam.«
    »Sogar Königinnen!«, ergänzte Joséphine leise.
    »Vor allem Königinnen …«
    Sie schenkten sich ein letztes Glas Champagner ein. Shirley steckte die Flasche kopfüber in den Eiskübel, und als sie aufblickte, sah sie eine Sternschnuppe.
    »Los, wünsch dir was, schnell, schnell, ich habe eine Sternschnuppe gesehen!«, forderte sie Jo auf.
    Joséphine schloss die Augen und wünschte sich, dass sich ihr Leben weiter entwickeln möge, dass sie nie wieder in ihre frühere Lethargie zurückfallen möge, dass ihre Ängstlichkeit endgültig einem neuen Elan weiche. Und schließlich fügte sie zögernd noch hinzu: Ich wünsche mir die Kraft, ein neues Buch zu schreiben, nur für mich allein … Und auch Luca, Sternschnuppe, bitte erhalte mir Luca.
    »Was hast du dir denn alles gewünscht, Jo?«, fragte Shirley lächelnd.
    »Eine ganze Menge!«, antwortete Joséphine mit einem Lachen. »Ich fühle mich hier so wohl, es geht mir so gut. Danke, dass du uns eingeladen hast … Es sind herrliche Ferien!«
    »Du kannst dir sicher denken, dass ich dir das nicht alles erzählt habe, um dir eine Nachhilfestunde in Geschichte zu geben.«
    »Du wirst lachen, aber ich dachte gerade an Albert von Monaco und seinen unehelichen Sohn.«
    »Ich lache ganz bestimmt nicht, Jo … Ich bin eine uneheliche Tochter.«
    »Aus Monaco?«
    »Nein … Meine Mutter ist eine Königin. Eine wunderbare Königin, die eine wunderbare Liebesgeschichte mit ihrem Lord Chamberlain erlebte. Er hieß nicht John Brown, er hieß Patrick, er war ebenfalls Schotte, und er war mein Vater … Im Gegensatz zu John Brown war er jedoch sehr diskret. Niemand hat je von ihrer Beziehung erfahren. Und als er vor zwei Jahren gestorben ist, hat die

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