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Die gelben Augen der Krokodile: Roman (German Edition)

Die gelben Augen der Krokodile: Roman (German Edition)

Titel: Die gelben Augen der Krokodile: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Pancol
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Antoine das Gepäck in den Wagen lud, den Kofferraum öffnete, die beiden Koffer hineinlegte. Und vorne, auf dem Beifahrersitz, auf ihrem Platz, ragte ein Ellbogen aus dem geöffneten Fenster. Ein Ellbogen in roter Baumwolle.
    Mylène!
    Er nahm sie mit in den gemeinsamen Urlaub mit ihren Töchtern.
    Mylène!
    Sie saß auf ihrem Platz.
    Mylène!
    Sie verbarg sich nicht einmal, sondern streckte den Ellbogen zum Fenster hinaus. Ihren roten Ellbogen.
    Einen Moment lang hatte Jo den Drang verspürt, nach draußen zu stürzen, ihre Töchter am Nacken zu packen und sie den Klauen ihres Vaters zu entreißen, doch dann kam sie wieder zur Besinnung. Antoine war im Recht, vollkommen im Recht. Sie konnte nichts dagegen tun.
    Sie hatte sich auf den Betonboden des Balkons fallen lassen. Hatte
die Fäuste gegen die Augen gepresst und losgeweint. Lange geweint. Ohne sich zu rühren. Und vor ihren Augen lief immer wieder der gleiche Film ab. Antoine stellte Mylène den Mädchen vor, Mylène lächelte sie an. Antoine fuhr, Mylène hatte die Landkarte auf dem Schoß. Antoine schlug vor, in einem Restaurant anzuhalten, Mylène wählte aus. Antoine hatte eine Ferienwohnung für Mylène und die Mädchen gemietet. Das Zimmer der Mädchen, Antoines und Mylènes Zimmer. Er schlief mit Mylène in einem Zimmer, und die Mädchen schliefen im Zimmer nebenan. Morgens frühstückten sie zusammen. Alle zusammen! Antoine kaufte mit Mylène und den Mädchen auf dem Markt ein. Er lief mit Mylène und den Mädchen am Strand entlang. Er ging mit Mylène und den Mädchen auf die Kirmes. Er kaufte Zuckerwatte für Mylène und die Mädchen. Die Wörter verschmolzen in ihrem Kopf zu einem schmerzhaften Refrain: »Mylène und die Mädchen, Mylène und Antoine.« Schließlich hatte sie tief eingeatmet und aufgeschrien: »Patchwork-Familie, so eine Scheiße!« Vor Verwunderung darüber, sich selbst schreien zu hören, hatte sie aufgehört zu weinen.
    An diesem Tag hatte Joséphine erkannt, dass ihre Ehe zu Ende war. Ein Ellbogen in rotem Baumwollstoff war wirkungsvoller gewesen als alle Worte, die Antoine und sie gewechselt hatten. Vorbei, hatte sie gesagt und auf ein Blatt Papier ein Dreieck gezeichnet, das sie knallrot ausgemalt hatte. Vor-bei. Endgültig vorbei.
    Sie hatte das rote Dreieck in der Küche über dem Toaster aufgehängt, damit sie es jeden Morgen sah.
    Am nächsten Tag hatte sie sich wieder an ihre Übersetzungen gemacht.
    Später, bei Iris in Deauville, hatte sie erfahren, dass Zoé im Juli viel geweint hatte. Iris hatte es ihr erzählt, und die wiederum wusste es von Alexandre, dem sich Zoé anvertraut hatte. »Antoine hat ihnen gesagt, dass sie sich lieber an Mylène gewöhnen sollten, denn er habe vor, mit ihr zusammenzuleben. Außerdem hätten sie ab Herbst gemeinsame berufliche Pläne … Was? Das weiß niemand …« Die Mädchen redeten nicht darüber, und Joséphine hatte sich auf die Zunge gebissen, um sie nicht danach zu fragen.
    »Was für ein verpfuschter Start ins Leben für die armen Kleinen!«,
beschwerte sich Madame bei Iris. »Mein Gott, was man den Kindern heutzutage alles zumutet! Und da wundern sich die Leute, dass es mit unserer Gesellschaft bergab geht. Wenn sich die Eltern nicht mehr anständig benehmen, was soll man da von den Kindern erwarten?«
    Madame. Sie hatte sie schon lange nicht mehr gesehen. Seit Mai. Seit ihrer Auseinandersetzung in Iris’ Salon. Kein einziges Wort mehr seitdem. Kein einziger Anruf. Kein Brief. Nichts. Sie dachte nicht die ganze Zeit daran, aber wenn sie auf der Straße eine Frau in ihrem Alter sah, die sich über eine alte Dame beugte und sie »Maman« nannte, versagten ihre Beine den Dienst, und sie musste nach einer Bank suchen, um sich zu setzen.
    Trotzdem weigerte sie sich, den ersten Schritt zu machen. Trotzdem bereute sie nicht ein Wort von dem, was sie an jenem Abend gesagt hatte.
    Sie fragte sich sogar, ob es nicht dieser Streit mit ihrer Mutter gewesen war, der ihr die nötige Kraft zum Arbeiten gegeben hatte. »Man fühlt sich sehr stark, wenn man sich nicht verstellt. An dem Abend warst du endlich du selbst, und jetzt sieh nur, wie weit du seitdem gekommen bist!« Das war Shirleys Theorie. Und vielleicht hatte sie damit nicht unrecht.
    Allein. Ohne Antoine, ohne Mutter. Ohne Mann.
    In der Bibliothek war sie in einem der schmalen Gänge zwischen den Bücherregalen mit einem Mann zusammengestoßen, der ihr entgegenkam. Die Arme voller Bücher, hatte sie ihn nicht gesehen. Die

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