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Die gelben Augen der Krokodile: Roman (German Edition)

Die gelben Augen der Krokodile: Roman (German Edition)

Titel: Die gelben Augen der Krokodile: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Pancol
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schrillen Ton angenommen. Sie hüstelte kurz und riss sich zusammen. Sie hatte sich lauthals gebrüstet. Es war sonst nicht ihre Art, sich in den Vordergrund zu drängen, aber heute Abend hatte der Zorn ihre üblichen Hemmungen verdrängt.
    »Ich habe von Iris gehört, dass …«
    »Ach, sie hat dir davon erzählt?«
    »Ich hätte möglicherweise Arbeit für dich, damit du dir etwas Geld dazuverdienen kannst. Du müsstest wichtige Verträge übersetzen, Geschäftsverträge. Eine furchtbar öde Sache! Aber es wird nicht schlecht bezahlt. Wir hatten eine Angestellte in der Kanzlei, die dafür zuständig war, aber sie hat vor Kurzem gekündigt. Russisch, sagst du? Beherrschst du die Sprache so gut, dass du auch mit den Feinheiten von Wirtschaftstexten zurechtkommen würdest?«
    »Ziemlich gut, ja …«
    »Das lässt sich ja feststellen. Ich gebe dir eine Übersetzung zur Probe …«
    Philippe Dupin versank in ein langes Schweigen. Joséphine wagte nicht, es zu brechen. Dieser absolut perfekte Mann schüchterte sie ein, doch seltsamerweise war er ihr noch nie so menschlich erschienen wie jetzt. Philippes Handy klingelte erneut, aber er ging nicht ran. Joséphine war ihm dankbar dafür.
    »Das Einzige, worum ich dich im Gegenzug bitte, Joséphine, ist, niemandem davon zu erzählen. Wirklich niemandem … Weder deiner Mutter noch deiner Schwester oder deinem Mann. Ich möchte, dass das unter uns bleibt. Unter uns beiden, meine ich.«
    »Das ist mir sehr recht«, entgegnete Joséphine mit einem Seufzen. »Wenn du wüsstest, wie leid ich es bin, mich ständig vor Leuten rechtfertigen zu müssen, die mich für eine dusselige Trantüte halten …«
    Bei diesen Worten musste er lächeln, und mit einem Schlag verflog die Spannung zwischen ihnen. Sie hat nicht unrecht, dachte er. Sie hat etwas Hausbackenes an sich. Dusselige Trantüte, das wären tatsächlich die Worte, die ich gewählt hätte, um sie zu beschreiben. Eine leise Sympathie für seine kleine, unbeholfene, aber anrührende Schwägerin keimte in ihm auf.
    »Ich mag dich sehr, Jo. Und ich schätze dich sehr. Du musst nicht gleich rot werden! Ich finde dich sehr mutig, sehr liebenswürdig …«
    »Wenn schon nicht schön und geheimnisvoll wie Iris …«
    »Ja, Iris ist sehr schön, aber du besitzt eine andere Art von Schönheit …«
    »Oh, Philippe, hör auf! Gleich fange ich noch an zu weinen … Ich bin etwas labil im Moment. Wenn du wüsstest, was ich getan habe …«
    »Antoine ist ausgezogen … Meinst du das?«
    Das war es nicht, woran sie gedacht hatte, aber ja, rief sie sich in Erinnerung, Antoine war ausgezogen. Sie riss sich zusammen.
    »Ja …«
    »So etwas kommt vor …«
    »Ja«, sagte Joséphine und verzog das Gesicht zu einem schwachen Lächeln, »siehst du, mein ganzes Unglück ist nicht einmal besonders originell.«
    Sie lächelten einander an und schwiegen einen Moment. Philippe Dupin blätterte in seinem Terminkalender.
    »Sagen wir morgen gegen fünfzehn Uhr in meinem Büro? Hast du dann Zeit? Dann stelle ich dich der Kollegin vor, die sich um die Vergabe der Übersetzungen kümmert …«
    »Danke, Philippe. Vielen Dank.«
    Er legte einen Finger an die Lippen, um sie daran zu erinnern, dass sie versprochen hatte, nichts zu verraten. Sie nickte.
    Im Salon saß Hortense Cortès auf dem Schoß von Marcel Grobz und streichelte seine Glatze. Sie fragte sich, was ihre Mutter und ihr Onkel bloß so lange im Arbeitszimmer zu besprechen hatten und was um Himmels willen sie tun könnte, um den furchtbaren Schnitzer ihrer Mutter wieder auszubügeln.

Zweiter Teil
    J oséphine saß am Küchentisch und machte ihre Abrechnung.
    Oktober. Die Schule hatte wieder angefangen. Sie hatte alles bezahlt: den Schulbedarf, die Laborkittel, die Schultaschen, die Sportkleidung, die Schulkantine, die Versicherungen, die Steuern und die Raten für die Wohnung.
    »Und das ganz allein!«, seufzte sie und ließ ihren Stift fallen.
    Ein wahrer Kraftakt.
    Natürlich waren da die Übersetzungen, die sie für Philippes Kanzlei angefertigt hatte. Sie hatte den ganzen Juli und August durchgearbeitet. Sie hatte keinen Urlaub gemacht, sondern war in der Wohnung in Courbevoie geblieben. Ihre einzige Zerstreuung war das Gießen der Balkonpflanzen gewesen! Die weiße Kamelie hatte ihr großen Kummer bereitet. Antoine hatte die Mädchen wie verabredet im Juli zu sich geholt, und Iris hatte sie im August nach Deauville eingeladen. Jo hatte sich lediglich eine Woche um den 15.

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