Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die gelben Augen der Krokodile: Roman (German Edition)

Die gelben Augen der Krokodile: Roman (German Edition)

Titel: Die gelben Augen der Krokodile: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Pancol
Vom Netzwerk:
Handwerksbetrieben. In der Aristokratie natürlich sehr viel weniger. Joséphine verlor sich einen Moment in Gedanken an ihren Vortrag. Wie sollte sie anfangen? Mit einer Anekdote? Einer Statistik? Einer allgemeingültigen Aussage?
    Mit erhobenem Stift dachte sie nach. Bis unvermittelt ein Gedanke in ihr Bewusstsein drang und wie eine Bombe explodierte: Ich habe völlig vergessen zu fragen, wie hoch mein Honorar für Audrey Hepburn sein wird! Ich habe den Auftrag wie eine brave Arbeiterin entgegengenommen und es einfach vergessen. Panik ergriff sie, und sie fühlte sich, als wäre sie in eine Falle getappt. Was sollte sie jetzt tun? Anrufen und fragen: »Übrigens, wie viel wollen Sie eigentlich dafür zahlen? Wie albern, ich habe ganz vergessen, mit Ihnen darüber zu reden!« Maître Vibert fragen? Unmöglich! Dusselige Trantüte, dusselige Trantüte, dusselige Trantüte. Das geht mir alles zu schnell!, dachte
sie. Aber was blieb ihr anderes übrig? Die Leute haben keine Zeit zu warten, keine Zeit zu überlegen. Ich hätte meine Fragen aufschreiben sollen, bevor ich zu diesem Termin ging. Ich muss unbedingt lernen, schnell und effizient zu sein. Ich, die bisher ein bescheidenes, strebsames Leben im Schneckentempo führte …
    Shirley half ihr bei der Übersetzung der Biografie. Joséphine markierte die Wörter und Wendungen, die ihr Probleme bereiteten, und rannte zu Shirley hinüber. Ständig knallten auf ihrer Etage die Türen.
    Doch die Zahlen, die sie jetzt vor sich auf dem Papier sah, logen nicht. Sie kam tatsächlich gut zurecht. Ein Hochgefühl durchströmte sie, und sie breitete die Arme aus, als wollte sie gleich losfliegen. Glücklich! Glücklich! Dann riss sie sich zusammen und betete zum Himmel, dass das Wunder andauern möge. Nicht eine Sekunde dachte sie: Es liegt daran, dass ich so viel arbeite, dass ich mich unermüdlich abrackere. Nein! Niemals stellte Joséphine eine Verbindung zwischen ihrem Fleiß und der Belohnung her. Nie lobte sie sich selbst. Sie dankte Gott, dem Himmel, Philippe oder Maître Vibert. Sie kam nicht auf die Idee, sich selbst ein wenig Anerkennung zu zollen für die zahllosen Stunden, die sie über ihr Wörterbuch und das Papier gebeugt zubrachte.
    Wenn ich weiter als Übersetzerin arbeite, sollte ich mir unbedingt einen Computer anschaffen, dann komme ich schneller voran. Noch eine zusätzliche Ausgabe, dachte sie, und wischte den Gedanken mit einer Handbewegung beiseite.
    Auf der einen Seite hatte sie ihre Einnahmen aufgelistet, auf der anderen ihre Ausgaben. Mit Bleistift kennzeichnete sie die voraussichtlichen Eingänge und Ausgaben, mit rotem Kugelschreiber alles, was jetzt schon feststand. Und sie rundete auf und ab. Sie rundete sehr viel auf und ab. Immer zu ihrem Nachteil. Auf diese Weise gibt es höchstens angenehme Überraschungen, dachte sie bei sich, und eine kleine Reserve für Notfälle behalte ich auch. Denn das bereitete ihr die größte Sorge: Sie hatte keine Reserven. Sollte irgendetwas Unvorhergesehenes passieren, wäre das eine Katastrophe!
    Sie hatte niemanden, den sie um Hilfe bitten konnte.
    Das ist wohl die wahre Bedeutung des Wortes »allein«. Vorher waren wir zu zweit. Und was noch viel wichtiger war, vorher hatte sich
Antoine um alles gekümmert. Sie unterschrieb dort, wo er mit dem Finger hinzeigte. Er lachte immer und sagte: »Du würdest wohl alles unbesehen unterschreiben, was ich dir vorlege!«, und sie antwortete jedes Mal: »Ja, natürlich, ich vertraue dir!« Und er küsste ihren Nacken, während sie unterschrieb.
    Jetzt küsste niemand mehr ihren Nacken.
    Sie hatten immer noch nicht über eine Trennung oder gar Scheidung gesprochen. Sie unterschrieb immer noch brav alle Unterlagen, die er ihr vorlegte. Ohne Fragen zu stellen. Verschloss dabei die Augen, damit diese eine Verbindung zwischen ihnen nicht abriss. Mann und Frau, Mann und Frau. In guten wie in schlechten Zeiten.
    Er war immer noch dabei, »auf andere Gedanken zu kommen«. Zusammen mit Mylène. Das geht jetzt schon fast ein halbes Jahr so, dachte sie und spürte, wie sie wütend wurde. Immer häufiger überfiel sie dieser kaum noch beherrschbare Zorn.
    Es hatte wehgetan, als er Anfang Juli die Mädchen abgeholt hatte. Furchtbar wehgetan. Das Zuschlagen der Aufzugtür. »Tschüss, Maman, viel Erfolg bei der Arbeit!« – »Viel Spaß, meine Süßen! Genießt die Zeit!« Dann die Stille im Treppenhaus. Und dann … war sie auf den Balkon hinausgelaufen und hatte zugesehen, wie

Weitere Kostenlose Bücher