Die gelben Augen der Krokodile: Roman (German Edition)
gläsernen Lobby hingesetzt. Meine Handtasche betrachtet. Darin befanden sich achttausendundzwölf Euro … Unmöglich! Ich hatte mich verlesen! Ich hatte mich geirrt! Ich öffnete die Tasche, nahm den Umschlag heraus, betastete ihn lange und ausführlich, er raschelte leise, wie Seide, das beruhigte mich. Ich habe ihn mir vor die Augen gehalten, ohne dass jemand ahnte, was ich da tat, und las noch einmal den angegebenen Betrag: achttausendundzwölf Euro, auszuzahlen an Madame Joséphine Cortès.
Joséphine Cortès, das bin ich. Das bin tatsächlich ich. Joséphine Cortès hat achttausendundzwölf Euro verdient.
Ich habe die Handtasche unter den Arm geklemmt und beschlossen, den Scheck zur Bank zu bringen. Sofort. Guten Tag, Monsieur Faugeron, raten Sie mal, was mich zu Ihnen führt. Achttausendundzwölf Euro! Also, Monsieur Faugeron, ab jetzt keine fragenden Anrufe mehr, wie wollen Sie das denn schaffen, Madame Cortès? Genau so, Monsieur Faugeron! Durch meine Arbeit mit der hinreißenden, charmanten, entzückenden, wundervollen, verstörenden Audrey Hepburn! Und für ein solches Honorar bin ich gerne bereit, morgen einen kleinen Ausflug in das Leben von Liz Taylor, Katharine Hepburn, Gene Tierney – und warum nicht auch von Gary Cooper oder Cary Grant? – zu unternehmen. Das sind meine Freunde. Sie flüstern mir ihre Geheimnisse ins Ohr. Möchten Sie einmal den Hinterwäldlerslang
von Gary Cooper hören? Nicht …? Auch gut … Und dieser Scheck, Monsieur Faugeron, kommt gerade zur rechten Zeit! Kurz vor Weihnachten.
Jo jubilierte innerlich. Sie lief durch die Straßen und führte ihren stummen Dialog mit Monsieur Faugeron fort. Sie tanzte über den Bürgersteig, bis sie unvermittelt zur Salzsäule erstarrte und eine Hand auf ihr Herz legte. Der Umschlag! Was, wenn sie ihn verloren hatte? Sie blieb stehen, öffnete ihre Handtasche und betrachtete den weißen Umschlag, der prall, pausbackig und munter zwischen Schlüsselbund, Puderdose, Hollywood-Kaugummis und den Handschuhen aus Pekarileder ruhte, die sie nie anzog. Achttausendundzwölf Euro! Ach, dachte sie, ich nehme doch lieber ein Taxi. Ich hätte viel zu große Angst, in der Métro überfallen zu werden …
In der Métro überfallen zu werden …
Ihr Herz raste, ihre Kehle war wie ausgedörrt, Schweißtröpfchen perlten auf ihrer Stirn. Ihre Finger machten sich erneut auf die Suche nach dem Umschlag, entdeckten ihn, betasteten ihn; sie seufzte, verlangsamte ihren Herzschlag und streichelte das Kuvert.
Sie hielt ein Taxi an und nannte die Adresse ihrer Bank in Courbevoie. Sie würde die achttausendundzwölf Euro in Sicherheit bringen und dann … die Mädchen verwöhnen! Weihnachten, Weihnachten! Jingle bells! Jingle bells! Jingle all the way … Danke, lieber Gott, danke, lieber Gott! Wer du auch sein magst, wo du auch sein magst, du wachst über mich, du hast mir den Mut und die Kraft zum Arbeiten geschenkt, danke, danke.
In der Bank füllte sie den Vordruck aus, und als sie in schönen runden Ziffern die Zahl Achttausendundzwölf hinschrieb, konnte sie ein stolzes Lächeln nicht unterdrücken. Am Schalter erkundigte sie sich, ob Monsieur Faugeron da sei. Nein, lautete die Antwort, er besuche gerade einen Kunden, aber er sei gegen halb sechs wieder zurück. »Dann richten Sie ihm aus, er soll mich anrufen, ich bin Madame Cortès«, bat Joséphine und ließ ihre Handtasche zuschnappen.
Und schnipp! Madame Joséphine Cortès bestellte Monsieur Faugeron zu sich.
Und schnipp! Madame Joséphine Cortès hatte keine Angst mehr vor Monsieur Faugeron.
Und schnipp! Madame Joséphine Cortès hatte vor nichts mehr Angst!
Und schnipp! Madame Joséphine Cortès war jetzt jemand.
Der Verleger, bei dem sie ihre Übersetzung abgegeben hatte, schien von ihrer Arbeit begeistert zu sein. Er hatte das Manuskript aufgeschlagen, sich die Hände gerieben und gesagt: »Dann wollen wir mal sehen…« Er hatte seinen Zeigefinger angefeuchtet, eine Seite umgeblättert, dann zwei, hatte gelesen und zufrieden genickt. »Sie schreiben sehr gut, Ihr Stil ist flüssig, elegant, schlicht, wie ein Kleid von Yves Saint Laurent!«
»Das verdanke ich Audrey, sie hat mich inspiriert«, hatte Joséphine geantwortet und war dabei rot geworden, denn sie wusste nicht, wie sie auf so viele Komplimente reagieren sollte.
»Seien Sie nicht so bescheiden, Madame Cortès. Sie sind begabt … Wären Sie bereit, weitere Aufträge dieser Art anzunehmen?«
»Ja …
Weitere Kostenlose Bücher