Die gelben Augen der Krokodile: Roman (German Edition)
einer weiteren Übersetzung gesprochen, und von dem Honorar kaufe ich mir dann einen Mantel. Den hier hat mir Antoine schon vor zehn Jahren geschenkt! Kurz nachdem wir nach Courbevoie gezogen sind …
Er kommt Weihnachten nicht nach Hause. Das erste Weihnachtsfest ohne ihn …
Neulich hatte sie in der Bibliothek in einem Buch über Kenia geblättert. Sie hatte nachgesehen, wo Mombasa und Malindi lagen. Der Text hatte von den weißen Stränden, den alten Häusern in Malindi, den kleinen Handwerkerläden und den liebenswürdigen Menschen geschwärmt. Und was ist mit Mylène? Ist die etwa liebenswürdig?, hatte sie vor sich hin gegrummelt und das Buch zugeschlagen.
Der Mann im Dufflecoat kam nicht mehr. Er hatte seine Recherchen offenbar abgeschlossen. Er schlenderte durch die Straßen von Paris und ließ eine hübsche Blondine ihre Hand in seine Tasche schieben …
Wenn sie in der Bibliothek ankam, legte sie ihre Bücher auf den Tisch und sah sich nach ihm um. Dann begann sie zu arbeiten. Hob den Kopf, suchte nach ihm, sagte sich, er ist gerade gekommen, er beobachtet mich heimlich …
Aber er kam nicht mehr.
Unten im Hausflur begegnete sie Madame Barthillet, die sie anrempelte,
ohne sie zu sehen. Joséphine wich bei ihrem Anblick unwillkürlich zurück. In ihren Augen flackerte ein Ausdruck wie von einem gehetzten Tier. Sie sah zu Boden, als sie Joséphine bemerkte, und ging an ihr vorbei, den Blick starr auf ihre Schuhe geheftet. Keine von beiden sagte etwas. Joséphine wagte nicht, sie zu fragen, wie es ihrer Familie gehe. Sie hatte gehört, dass Monsieur Barthillet ausgezogen war.
Ihre gute Laune war verflogen. Als sie die Wohnungstür öffnete, hörte sie das Telefon klingeln, und müde ging sie ran.
Es war Monsieur Faugeron. Er gratulierte ihr zu dem Scheck, den sie bei der Bank eingelöst hatte, und dann sagte er etwas, das sie nicht sofort verstand. Sie bat ihn, einen Moment zu warten, zog ihren Mantel aus, legte die Handtasche zur Seite, und nahm das Telefon wieder auf.
»Dieser Scheck kommt gerade recht, Madame Cortès. Sie sind seit drei Monaten im Minus …«
Joséphines Mund wurde trocken, ihre Finger umklammerten das Telefon, sie brachte kein Wort heraus. Im Minus! Seit drei Monaten! Aber sie hatte doch alles durchgerechnet: Das Ergebnis war positiv.
»Ihr Mann hat vor seiner Abreise nach Kenia ein Konto auf seinen Namen eröffnet. Er hat einen hohen Kredit aufgenommen und noch keine der Raten gezahlt, die seit dem 15. Oktober fällig geworden sind…«
»Einen Kredit? Antoine? Aber …«
»Auf seinen eigenen Namen, Madame Cortès, aber Sie haften dafür. Er hat zugesichert, die Raten zu zahlen und … Sie müssen doch die entsprechenden Unterlagen unterschrieben haben, Madame Cortès! Wissen Sie das nicht mehr?«
Joséphine versuchte sich zu erinnern, und ihr fiel ein, dass Antoine sie tatsächlich vor seiner Abreise zahlreiche Bankformulare hatte unterschreiben lassen. Er hatte von einem Plan gesprochen, einer Investition, der Absicherung ihrer Zukunft und davon, dass man hin und wieder Risiken eingehen müsse. Das war Anfang September gewesen. Sie hatte ihm vertraut. Sie hatte in all den Jahren nie gelesen, was sie unterschrieb.
Wie in einem bösen Traum lauschte sie den Erklärungen des Bankberaters. Zitterte im bleichen Flurlicht. Ich sollte die Heizung höher
stellen, es ist zu kalt. Mit zusammengebissenen Zähnen kauerte sie auf dem Stuhl neben dem Telefonschränkchen, den Blick starr auf den verschlissenen Teppichboden gerichtet.
»Sie haften für seine Schulden, Madame Cortès. Es tut mir leid, Ihnen das sagen zu müssen … Also, wenn Sie in der Bank vorbeikommen wollen, können wir über eine Anpassung der Raten reden … Sie könnten auch Ihren Stiefvater um Hilfe bitten …«
»Niemals, Monsieur Faugeron, niemals!«
»Aber, Madame Cortès, früher oder später müssen Sie …«
»Das schaffe ich auch alleine, Monsieur Faugeron, das schaffe ich schon …«
»Nun ja, vorerst füllt dieser Scheck über achttausendundzwölf Euro die Lücke, die Ihr Mann hinterlassen hat … Die Höhe der monatlichen Raten beläuft sich auf eintausendfünfhundert Euro, Sie können selbst ausrechnen, wie lange es reicht …«
»Ich habe heute Nachmittag Weihnachtseinkäufe gemacht«, stammelte Joséphine. »Für die Mädchen, Weihnachtsgeschenke für die Mädchen … Ich habe einen Computer gekauft und … Warten Sie, ich habe die Kreditkartenbelege hier …«
Sie wühlte in
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