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Die gelben Augen der Krokodile: Roman (German Edition)

Die gelben Augen der Krokodile: Roman (German Edition)

Titel: Die gelben Augen der Krokodile: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Pancol
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beschweren; mürrisch stürmte er ins Lager, bellte eine Frage, blaffte eine Anweisung und verschwand wieder, ohne René auch nur einmal in die Augen zu sehen.
    Anfangs war René beleidigt. Er ignorierte Marcel. Ließ Ginette an seiner Stelle antworten. Wenn Marcel schimpfend angestampft kam, stieg René auf einen Gabelstapler und fuhr ans andere Ende des Lagers, um seine Kisten zu zählen. Dieses Theater dauerte drei Wochen. Drei Wochen ohne Wurstscheiben und ohne einen Schluck Rotwein. Ohne vertrauliche Gespräche vor den Ranken der Glyzinie. Dann erkannte René, dass er genau so reagierte, wie sein Freund es sich erhoffte, und Marcel ihm nicht von sich aus die Bude einrennen würde.
    Eines Tages schluckte er seinen Stolz hinunter und ging nach oben, um Josiane zu fragen, was mit dem Alten los sei. Zu seiner großen Überraschung holte er sich bei ihr eine Abfuhr.
    »Frag ihn doch selbst, zwischen uns herrscht Funkstille! Der behandelt mich wie Luft.«
    Sie sah aus wie das wandelnde Elend. Abgemagert, blass, mit einem Hauch von Rouge als hilflosem Verschönerungsversuch auf den Wangen. Alles nur billige Tünche, dachte René, das ist nicht das Rosa, das vom Herzen kommt.
    »Isser in seinem Büro?«
    Josiane nickte bejahend in Richtung Bürotür.
    »Allein?«
    »Allein … Nutz die Gelegenheit, kommt ja selten genug vor. Der Zahnstocher hat sich hier eingenistet. Die hockt die ganze Zeit bei ihm rum!«
    René öffnete die Tür zu Marcels Büro und überraschte ihn dabei, wie er zusammengesunken auf seinem Stuhl saß und mit gesenktem Kopf an einem Stück Stoff schnupperte.
    »Testest du’n neues Produkt?«, fragte er, ging um den Schreibtisch herum und zog seinem Freund das Ding aus den Händen. »Was’n das?«, fragte er erstaunt.
    »Eine Strumpfhose …«
    »Machst du jetzt auch noch in Strumpfhosen?«
    »Nein …«
    »Himmel noch mal, was schnüffelst du dann an’nem Fetzen Nylon rum?«
    Marcel warf ihm einen unglücklichen, wütenden Blick zu. René setzte sich ihm gegenüber auf den Schreibtisch, sah ihm geradewegs in die Augen und wartete.
    Fernab seiner Büros und seines finanziellen Erfolgs wurde Marcel wieder zu dem ungehobelten, flegelhaften Jungen von einst, der sich abends in den Straßen von Paris herumtrieb, ehe er nach Hause ging, wo niemand auf ihn wartete. Nur um des Aufstiegs willen, um reich und mächtig zu werden, hatte er seine Leidenschaften zügeln können. Doch nachdem er dieses Ziel erreicht hatte, war sein Gespür fürs Leben verschwunden. Er jonglierte immer noch mit Zahlen, Fabriken und Kontinenten, so wie eine erfahrene Köchin Eiweiß zu Schnee schlägt, ohne überhaupt hinzusehen, aber für alles andere hatte er sein Fingerspitzengefühl verloren. Je erfolgreicher er wurde, desto verletzlicher wurde er auch. Er verlor seine Bauernschläue. Er verlor die Orientierung. War er geblendet vom Geld, von der Macht, die ihm sein Vermögen verlieh? Oder im Gegenteil völlig betäubt davon, weil er nicht verstand, wie er es geschafft hatte, so weit zu kommen? Hatte er sein Können und den Instinkt eingebüßt, den ihm die Gier des Anfängers verliehen hatte, war er in Luxus und Bequemlichkeit versunken? René begriff einfach nicht, wie ein Mann, der chinesischen und
russischen Kapitalisten die Stirn bot, sich von Henriette Grobz dermaßen übers Ohr hauen lassen konnte.
    René war von Anfang an gegen Marcels Hochzeit mit Henriette gewesen. Der Vertrag, den sie ihn am Tag vor ihrer Hochzeit hatte unterschreiben lassen, war in seinen Augen nichts anderes als eine Geiselnahme. Marcel saß in der Falle. Gütertrennung, damit sie bei einem Konkurs nicht haftete, aber gegenseitige Erbeinsetzung, sodass sie im Falle von Gewinnen alles erben würde. Und als Sahnehäubchen die Position als Vorsitzende des Verwaltungsrats seiner Firma. Er konnte keine Entscheidung mehr ohne sie treffen. Gefesselt war er, sein Kumpel Marcel, fein säuberlich verschnürt wie eine Salami! »Ich möchte nicht, dass es den Anschein hat, ich würde dich nur deines Geldes wegen heiraten«, hatte sie behauptet, »ich will mit dir zusammenarbeiten. Teil der Firma sein. Ich habe so viele neue Ideen!« Marcel hatte alles geschluckt. »Das ist der absolute Irrsinn!«, hatte René gebrüllt, als er von den Vertragsbedingungen erfahren hatte. »Betrug ist das! Da kann sie dir gleich ’ne Knarre an den Kopf halten und deine Kohle kassieren! Das ist keine Frau, das is ’n eiskalter Gangster. Und du glaubst immer noch, dass sie

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