Die gelben Augen der Krokodile: Roman (German Edition)
Und so groß! Und so stark! Haben Sie jemals so ein schönes Baby gesehen, Herr Doktor?«
»Noch nie«, antwortete der Arzt.
Marcel kam rechtzeitig wieder zu sich, um die Nabelschnur durchzuschneiden und seinen Sohn zum ersten Mal zu baden. Er weinte so sehr, dass er gar nicht mehr wusste, wie er das Kind festhalten und sich gleichzeitig die Tränen aus den Augen wischen sollte, trotzdem weigerte er sich, den Kleinen loszulassen.
»Ich bin’s, mein Kleiner, Papa. Erkennst du mich? Hast du gesehen, Choupette, er erkennt meine Stimme, er hat sich zu mir umgedreht, er zappelt gar nicht mehr. Mein Sohn, mein wunderschönes Baby, mein Riese, mein Schatz … Du wirst schon sehen, was für ein schönes Leben deine Mama und ich dir bereiten werden. Wie ein Prinz in orientalischen Pantoffeln! Arbeiten musst du schon auch, denn wer sich hier unten nicht den Arsch aufreißt, der kommt zu nichts, aber keine Angst, das bring ich dir alles bei. Ich bezahl dir die schönsten Schulen, die schönsten Schultaschen, die schönsten Bücher mit goldenen Bildern. Du bekommst alles, was man sich nur wünschen kann, mein Sohn, alles … Du wirst dir vorkommen wie der Sonnenkönig. Du wirst über die ganze Welt herrschen, heutzutage ist Frankreich nämlich zu klein, zu verknöchert. Nur die Franzosen glauben noch, sie wären die Könige der Welt! Du wirst schon sehen, mein Sohn, zusammen werden wir zwei einen Mordsspaß haben.«
Josiane lauschte andächtig, und der Arzt lächelte.
»Ihr Sohn hat ja einiges vor sich. Wie soll er denn heißen?«
»Marcel«, brüllte Marcel Grobz. »Wie ich. Er wird diesem Namen Glanz verleihen, Sie werden schon sehen!«
»Das bezweifle ich nicht …«
Mutter und Kind wurden nach oben in die Suite gebracht. Marcel wollte nicht gehen.
»Bist du sicher, dass sie ihn nicht aus Versehen vertauschen können?«
»Ganz sicher … Er hat doch sein Armband. Außerdem besteht nicht die geringste Gefahr. Ist dir nicht aufgefallen, dass er dir wie aus dem Gesicht geschnitten ist?«
Marcel warf sich vor Stolz in die Brust und trat erneut an die Wiege, um den kleinen Marcel zu bewundern.
»Du musst jetzt ins Rathaus, um ihn anzumelden, und ich muss mich ausruhen, ich bin ein bisschen müde …«
»Oh! Tut mir leid, Choupette … Ich kann mich nur so schwer losreißen, verstehst du? Ich hab Angst, er könnte nicht mehr da sein, wenn ich zurückkomme.«
»Hast du in der Firma angerufen und Bescheid gesagt?«
»Ich hab Ginette und René angerufen, und sie lassen dich ganz fest drücken. Sie haben den Champagner rausgeholt und erwarten mich zum Anstoßen! Aber danach komm ich zurück. Versprich mir, dass du mich sofort anrufst, wenn irgendwas ist, Choupette, ja?«
Er machte ein paar Fotos von seinem Sohn, der wunderschön, frisch gebadet und blitzsauber in seiner weißen Wiege lag, und lief beim Hinausgehen gegen die geschlossene Tür.
Josiane brach vor lauter Glück in Tränen aus. Nachdem sie eine Weile geweint hatte, stand sie auf, nahm ihr Baby zu sich und schlief, eng an Marcel geschmiegt, ein.
Sie saßen alle zusammen unter der Glyzinie, die zur Feier des Tages mit kleinen blauen Schleifchen geschmückt war, und ließen sich das Essen von Ginettes improvisiertem Büfett schmecken, als Marcels Handy klingelte.
»Choupette?«, trompetete er.
Es war nicht Choupette. Es war Henriette. Sie war gerade bei der Bank, hatte ihre Konten geprüft und mit ihrer Anlageberaterin gesprochen.
»Ich verstehe nicht recht, haben wir jetzt zwei getrennte Konten? Das muss doch ein Irrtum sein …«
»Nein, meine Liebe. Zwei getrennte Konten, und wir beide gehen ab jetzt auch getrennte Wege. Ich habe heute Morgen einen Sohn bekommen. Einen Sohn namens Marcel … Fast vier Kilo schwer und fünfundfünfzig Zentimeter groß, ein Riese!«
Es dauerte eine Weile, bis Henriette antwortete, dann erklärte sie in
unvermindert schneidendem Ton, dass sie ihn zurückrufen werde, sie könne vor Madame Lelong nicht reden.
Marcel rieb sich die Hände und jubilierte. Ruf du nur zurück, meine Teure, ruf nur zurück. Du wirst schon sehen, wie ich die Neuigkeit für dich verpackt habe! René und Ginette beobachteten ihn seufzend. Endlich, endlich stürzte er den Tyrannen.
Wie alle kleingeistigen, boshaften Menschen stellte Henriette Grobz ihre vorgefasste Meinung niemals in Frage und suchte den Grund für ihr Unglück nie bei sich selbst. Stattdessen zog sie es vor, anderen die Schuld daran zu geben. Auch an diesem Tag machte
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