Die gelehrige Schuelerin
Sie war ja nur ein Kind. Sie hatte sich bemüht. Gott, wie sehr sie sich angestrengt hatte. Ich hasste mich.
»Ich sollte dich in diesem Scheißkaff allein lassen, ohne einen Pfennig Geld! Wirklich, das sollte ich tun!«
»Arniiiiie!«, schrie sie aus dem Badezimmer. »Lass mich doch erklären. Wirst du mir jetzt mal zuhören?!«
Ich warf den Aschenbecher nach der Badezimmertür. All die Liebe, Aufrichtigkeit, Sorge für nichts und wieder nichts. Für einen Scheißdreck. Mein Leben, meine Liebe waren für immer verschissen.
Ich hämmerte gegen die Tür. »Zieh dich endlich an. Es gibt nichts zu erklären. Ich werde dich nach Hause fahren. Ich fahre dich direkt zu seinem Bett, wenn du willst!«
Meine Armmuskeln schwollen an. Zorneshitze, wütende Energie und die beißende, auflodernde Flamme des Hasses machten mich ungeheuer stark. Und wenn ich nur einen winzigen Teil davon fahren lassen würde, würde ich auf der Stelle zusammenbrechen und heulen. Ich müsste heulen, weil mir dann klar würde, dass die Frau, die ich liebte, einen anderen vorzog.
So war ich lieber stinkwütend.
Annie spähte vorsichtig um die Badezimmertür herum. Sie testete die Stimmung. Würde ich sie schlagen? Ich raste bloß weiterhin durchs Zimmer, von einer Wand zur anderen und wieder zurück. Meine Fäuste gegen die Wand rammend, meinen Kopf zwischen die Schultern gezogen wie ein gereizter spanischer Stier. Sie schlüpfte heraus und begann, ihren Rucksack zu packen.
Piepsend stieß sie hervor: »Es tut mir Leid. Wirklich. Ich wollte es dir schon früher sagen, aber ich …«
Ich stieß mit dem Fuß nach den Lampenscherben. Ihre Erklärungen interessierten mich nicht. Ich wollte nur allein sein, sie nicht mehr sehen müssen, damit ich endlich in meinem Selbstmitleid ertrinken konnte. Ich wollte nie mehr an die Oberfläche tauchen.
Etwas mehr Mut sammelnd sagte sie mit fester Stimme: »Du benimmst dich wie ein kleines Kind. Können wir nicht einfach darüber reden?«
Ich riss die Laken aus dem Bett heraus, schmiss das Gestell mitsamt den Matratzen um und versuchte, den Stahlrahmen auseinander zu brechen. Ich stemmte so lange daran herum, bis die Knöchel meiner Hände weiß hervortraten. Dann stieß ich einen wilden, dröhnenden Schrei aus.
Mein Verhalten war so gottverdammt scheußlich, dass ich am liebsten sofort damit aufgehört hätte. Ich wollte einfach nur vergessen, an nichts mehr denken, nur lieb zu ihr sein, auch wenn sie mich nicht mehr liebte. Aber ich konnte nicht.
Annie rannte hinaus. Ich stürmte, eine halb gepackte Reisetasche über der Schulter, immer noch nur halb angezogen und mit einer Menge loser Kleidungsstücke im Arm hinter ihr her, schloss die Wagentür auf und schmiss meine Sachen verächtlich auf den Rücksitz. Der Hotelmanager stolzierte auf uns zu. Er war ein untersetzter, dicker Mann mit einem Brustkasten wie ein Bierfass. Seine Hemdsärmel waren aufgekrempelt und gaben starke Unterarme frei, die mit pelzigem Haar fast bedeckt waren. Ich stellte fest, dass eine Menge Hotelgäste in Schlafanzügen oder Unterwäsche am Fenster oder in den Apartmenttüren standen. »Was zum Teufel ist hier los?«, bellte er. »Beeilen Sie sich lieber, eine vernünftige Erklärung zu finden, sonst passiert etwas, Sie Arschloch!«
Meine Erinnerung kam erst später wieder, und es war bestimmt anders, als ich es jetzt beschreibe: Ich baute mich vor ihm auf, legte mein ganzes Gewicht in den nächsten Schritt, holte weit aus und legte ihn mit einem Faustschlag, begleitet von einem röhrenden Schrei, flach auf den Rücken. Dann warf ich ihm den Zimmerschlüssel auf den Bauch.
Annie saß mit zusammengekniffenen Lippen im Wagen. Sie traute sich nicht, ein Wort zu sagen.
Ich fuhr sehr schnell. Jedes machtvolle Einlegen eines neuen Ganges verschaffte mir mehr Luft.
Nachdem wir eine Stunde lang auf der Straße entlanggerast waren, nachdem ich eine Stunde lang mein Bewusstsein mit unglaublichen Machofantasien und Männlichkeitsvorstellungen aufgeputscht hatte – um ja das Denken zu verhindern –, nachdem ich im Geiste eine Stunde lang gegen Annie gewütet hatte – um ihr nicht wirklich einen Schaden zuzufügen –, kam mir langsam, schleppend die Realität ins Bewusstsein. Ich sah die gesamte Situation, jedes Detail, jede Implikation deutlich vor mir.
Es war vorbei!
Ich fuhr auf den Seitenstreifen, legte den Kopf in die Hände, die das Steuerrad umklammerten, und heulte los.
Zuerst Stöhnen und Wimmern, dann eine Flut von
Weitere Kostenlose Bücher