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Die gelehrige Schuelerin

Die gelehrige Schuelerin

Titel: Die gelehrige Schuelerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ira Miller
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Sie bewahrte alles auf. Auf einem hohen Bord stapelten sich alte Spielzeugkartons mit eingedrückten Ecken. Darunter hingen die Kleider ordentlich auf Bügeln. Es war eine Zusammenstellung von Kinkerlitzchen, Gummikobolde, Plastikpuppen, Weihnachtskarten, Schulhefte, Stifte, Füller, ein Kalender, eine Glaskugel, in der künstlicher Schnee fiel, wenn man sie schüttelte, ein Malbuch. Im Spiegel steckten alte Fotos von einem Hund, den sie früher einmal besessen hatte, von ihrem Vater, ihrer Mutter, ihr selbst, als sie noch ein kleines Mädchen war. Dazwischen einige Briefe, an denen ihr besonders viel lag, eine alte Geburtstagskarte, ein Foto von ihrem Schulfreund, ausgeschnitten aus einer Zeitung.
    Sie hatte keine Lust zu schlafen. Deshalb griff sie zum Telefonhörer und wählte, ohne sich besondere Gedanken darüber zu machen, was sie tat.
    »Hey. Komm doch mal rüber. Tschüss.«
    Sie lehnte sich zurück und betastete das Schmuckkästchen und das neue Briefpapier mit den gelben Blumen und grünen Stängeln. Dann dachte sie daran, was für wunderbare Ferien sie gehabt hatte. Sie war nicht mehr dieselbe, die sie vor einem Monat noch gewesen war. Wie glücklich war sie doch. Ihr Freund schien sie von Tag zu Tag mehr zu mögen. Wie sehr sie ihn liebte. Wie froh sie war und stolz, jemanden befriedigen zu können, der so viel älter als sie war. Wie schön er war. Wie gut er im Bett war. Wie schön doch das Leben war, wenn
jemand
da war.
    Wie könnte das jemals enden?,
dachte sie.
Es geht immer nur vorwärts. Wir empfinden so viel füreinander. Wir könnten uns niemals wehtun. Wir haben noch so viele Jahre vor uns. Heiraten? Nein. Doch. Vielleicht. Nein. Sei nicht dumm, Annie. Nun, das ist schon vorgekommen. Marry Lou hat den Footballtrainer der Schule geheiratet, nachdem sie ihren Abschluss gemacht hatte. Warum also nicht? Träum nicht, kleines Mädchen. Du wirst nur verletzt werden. Irgendwie. Aber Arnie könnte dich doch nie verletzen. Seine Haut ist zu weich.
    Es klingelte an der Haustür.
    Annie presste den Daumen ihrer rechten Hand gegen Claras Daumen und sagte: »Hey.« Diese kleine Geste hatte nicht mehr viel zu bedeuten, aber als sie noch Kinder gewesen waren, war dies ihr geheimer Gruß gewesen.
    »Letzter Ferientag, und du hast tatsächlich beschlossen, noch tagsüber etwas Zeit für mich zu haben, was?« Claras Stimme klang kalt und wütend.
    »Du kannst mich mal, Rundkugel«, sagte Annie und rannte schnell die Treppe hinauf, bevor Claras Faustschlag sie erreichen konnte. Aber Clara holte sie in ihrem Zimmer ein, umklammerte sie und warf sie aufs Bett, zog ihren Rock hoch und schlug mit der flachen Hand auf ihren Bauch, bis sie rote Flecke hatte. Annie, hilflos in Claras festem Griff, musste endlich zugeben: »Hör auf. Du bist keine Rundkugel. Ehrlich.«
    Clara kicherte, als sie von Annies Bett herunterkletterte und sich auf den Boden setzte. Annie presste ihre Finger auf ihren Bauch und machte damit weiße Flecken in die roten Stellen.
    »Hat der charmante weiße Prinz dich also heute versetzt«, stellte Clara fest. »Oder bist du vollständig durchgefickt?«
    »Woher weißt du, dass ich ihn Prinz nenne?«
    »Nein. Du willst mich wohl verarschen. Sag sofort, dass es nicht so ist …« Annie lächelte, und Clara wusste, dass sie sie auf den Arm nahm. »Du hast mir einen Schrecken eingejagt. Ich finde, du bist auch so schon blöd genug.«
    »Nein. Wir haben heut bloß mal beschlossen, einen Tag allein zu sein. Morgen fängt die Schule wieder an. Wir müssen uns entwöhnen. Die vergangenen Wochen waren einfach vollkommen. Letzte Nacht war am besten. Wir haben nicht mal miteinander geschlafen. Nur geredet und richtig geschlafen. Ich habe mich ihm noch nie so nahe gefühlt. Wir waren immer halb wach und halb haben wir geschlafen. Nein, ich konnte gar nicht mehr unterscheiden, was nun was war. Aber er ist
so gut
! Es war ein herrliches Ende für all diese schönen Tage! Wir wünschten uns beide die Erinnerung an diese Vollkommenheit. Wir werden für eine lange Zeit keine Gelegenheit mehr haben, so etwas zu tun. Und dann die Schule. Scheißschule! Ich werde es hassen, ihn wieder als Mr. Lester zu sehen. ›Also, Janey. Wie oft habe ich dir schon gesagt, dass du keine Zettel in der Klasse rumgehen lassen sollst?‹ Bäh! Aber diese Zeit haben wir zusammen erlebt, und es werden noch andere Tage folgen. Und niemand kann uns das wegnehmen…«
    »Na, dann wart mal nächste Woche ab«, riet Clara. »Finde es heraus

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