Die Gelehrten der Scheibenwelt

er.
    »Das ist seltsam, Herr«, meinte Ponder. »In dieser Epoche sollte es eigentlich noch keine richtigen Bäume geben.«
    »Nun, sie sind unübersehbar«, erwiderte der Erzkanzler. »Ich erkenne noch mindestens drei weitere …«
    Rincewind war bereits losgelaufen. Der Umstand, daß einem nichts passieren kann, muß nicht bedeuten, daß man keine Angst hat. Ein Experte findet immer einen Grund, sich zu fürchten.
    Ein sehr guter Grund war zum Beispiel ein Baumstamm mit Zehen.
    Über den Farnen erschien ein Kopf an einem viel zu langen Hals.
    »Ah«, sagte Ridcully ruhig. »Noch immer blöde Eidechsen, wie man sieht.«

SECHSUNDDREISSIG
    Weglaufen vor Dinosauriern
    Spaziergänge mit Dinosauriern war 2000–2002 eine sehr beliebte Fernsehserie in Großbritannien und wenig später auch im amerikanischen Fernsehen* [ * Deutsch lief die Serie unter dem Titel ›Dinosaurier – Im Reich der Giganten‹. – Anm. d. Übers. ] Sie zeigte Dutzende verschiedener Dinosaurierarten, alle bis ins kleinste Detail sehr schön mit Computeranimationen dargestellt. Und sie teilte uns Dinge mit wie »Diese Pipifaxsaurier waren Pflanzenfresser, und sie waren bunt gefärbt, um zum Schutz vor Dingsdasauriern ihre Silhouette aufzubrechen. Sie waren monogam und zogen ihre gut geschützten Nachkommen auf, indem sie in Höhlen lebten und den Kindern nur sehr sparsam Zugang zu Computerspielen gewährten.«
    Das alles aufgrund zwei fossiler Knochen – für jedes Tier einen.
    Spaziergänge mit Dinosauriern war das letzte Werk in einer Folge zur Popularisierung von Dinosauriern, von H. G. Wells’ Die Grundlinien der Weltgeschichte und Arthur Conan Doyles Die verlorene Welt bis zu Walt Disneys Fantasia und Michael Crichtons Jurassic Park . Dinosaurier stecken voller Mana, sie triefen vor Charisma. Sie sind der kühnste Traum der Public-Relations-Leute. Was verleiht Dinosauriern soviel Durchschlagskraft?
    Die Psychologin Helen Haste hat von der Paläontologin Beverly Halstead das Thema der Dinosaurier als Sinnbilder von Stärke und Sex in unserer zivilisierten Mythenschöpfung übernommen. Beide haben dargelegt, daß wir, indem wir sie als derart mächtige Symbole mythologisiert haben, uns nur noch mit größter Mühe klarmachen können, wie es wirklich gewesen sein muß, als Dinosaurier auf der Erde spazierengingen. Unsere geistigen Bilder der Dinosaurier sind mit einer Menge überflüssiger Zutaten befrachtet, und es ist schwer, von den Lügen-für-Kinder loszukommen, die mit diesen Bildern verknüpft sind.
    Wir wollen nichtsdestoweniger unser bestes tun. Wie immer es auch gewesen sein mag, wir sind uns sicher, daß Weglaufen vor Dinosauriern ein zutreffenderes Bild ist.
    Wir haben eine gute Vorstellung davon, wie es nicht war. Wir alle haben in Filmen den üblichen Schuß Dinosaurier-›Ökologie‹ gesehen, und so war es nicht. Die Kamera schwenkt auf etliche altertümlich aussehende Bäume, und wir entdecken eine Lichtung mit einem See und riesenhaften pflanzenfressenden Reptilien. Ein paar kleine Vogelwesen kommen ins Bild und machen ihre kleinen Vogeldinge; es fliegen Pterodaktylen umher … Dann ertönt ein gigantisches Gebrüll, und ein Tyrannosaurus bricht von links durchs Gebüsch. Er (niemand kann glauben, daß da eine ›sie‹ dargestellt ist: das muß uns in der Fortsetzung zu Jurassic Park eigens mitgeteilt werden) springt einen Brontosaurus oder einen Hadrosaurus oder was auch immer an und ringt ihn zu Boden. Oder er hat einen großartigen Kampf Zähne gegen Hörner mit einem Triceratops oder einem anderen gepanzerten Pflanzenfresser, wie dem Stegosaurus in Disneys Fantasia .
    Auch in den Naturgeschichtsbüchern des späten 19. und des frühen 20. Jahrhunderts zeigen die Zeichnungen diese Wesen immer im Kampf auf Leben und Tod (beispielsweise mit der Unterschrift ›Ideale Szene aus der mittleren Oolithischen Periode‹.) Wells’ Grundlinien der Weltgeschichte sind in dieser Hinsicht untypisch; die Zeichnungen und Farbtafeln zeigten die Tiere einfach, wie sie ihren Angelegenheiten nachgingen, ohne Drama.
    Wie war es wirklich?
    Zunächst einmal gab es kein ›es‹. Die Dinosaurier und andere große Reptilien waren beinahe zweihundert Millionen Jahre lang die interessantesten, wichtigsten – nun ja, zumindest die größten – Landtiere, und einige von ihnen kehrten ins Meer zurück oder brachten die größten fliegenden Wesen hervor, die es jemals gegeben hat. Die Dinosaurier begannen vor etwa 240 Millionen Jahren mit