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Die Gelehrten der Scheibenwelt

Die Gelehrten der Scheibenwelt

Titel: Die Gelehrten der Scheibenwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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Urzeitwesen zu denken, und davor, wie wir es immerzu falsch verstehen. Gees Auf der Suche nach der Tiefen Zeit nimmt uns ins Gebet und zeigt, wie alle unsere hübschen Vermutungen über Evolutions-Szenarios – so gut sie auch durch Fossilbelege abgesichert zu sein scheinen – schlechthin falsch sind, unmöglich.
    Ein klassischer Fehler ist die Art, wie wir uns gewohnheitsmäßig den Fisch denken, der aus dem Wasser kam und dessen Nachkommen die Landwirbeltiere sind. Wir stellen uns vor, wie er ans Ufer plumpst (und wie Rincewind ihn ermutigt, wieder ins Wasser zu gehen), mit seinen sich gerade entwickelnden Lungen und Beinen … Nein. Er hatte ziemlich gut entwickelte Beine, während er noch ein Leben unter Wasser führte, mit inneren Kiemen wie jeder anständige Fisch. Das muß er getan haben, denn sonst hätte es nicht funktioniert .
    Wir haben allerdings wenig Ahnung, wozu seine Beine in diesem Stadium dienten – jedenfalls nicht zu Spaziergängen an Land. Aber es steht außer Frage, daß diese Hände, mit denen wir tippen, die Abkömmlinge jener fischhafter Beine sind … Ebenso, wie unser Husten das Erbe der Kreuzung von Luftweg und Speiseweg ist. Es sind die Bilder und Vorstellungen in unserem Kopf, die falsch sind. Es sind Lügen-für-Kinder, die wir noch nicht berichtigen können. Aber Menschen haben sich definitiv aus einem Fisch entwickelt, und er hatte Beine. Er benutzte sie nur nicht, um den Strand entlangzuspazieren.
    Eine andere merkwürdig falsche Lüge-für-Kinder über die Evolution betrifft den Ursprung der Vögel. Als jene hübschen Fossilien der Archäopteryx im Solnhofener Schiefer gefunden wurden, so gut erhalten, daß die Abdrücke der Federn deutlich zu sehen waren – und die Zähne und die krallenbewehrten Fingerglieder an den Flügeln –, war offenkundig, daß wir das Zwischenstadium zwischen Reptil und Vogel gefunden hatten. Es war ein erstklassiges Missing link , ein fehlendes Bindeglied.
    Denken Sie einen Augenblick darüber nach: Wie kann man ein fehlendes Bindeglied finden? Oha.
    Die Archäopteryx hatte einen langen Echsenschwanz und keinen Kiel in der Brust, an dem starke Flugmuskeln ansetzen konnten. Wären da nicht die Federn gewesen, hätte man sie als kleine Pseudosuchier (krokodilähnliche Dinosaurier) wie Ornithomimus (Vogelnachahmer) eingeordnet. In der späten Jurazeit gab es viele kleine Dinosaurier mit vogelähnlichen Zügen, und man hatte in frühen kreidezeitlichen Gesteinen, aus einer Zeit etwa fünfzehn Millionen Jahre später, schon ein paar Fossilien wirklich gut entwickelter Tauchvögel gefunden. Das waren echte Vögel, Ichthyornis genannt, und sie hatten ihre Flugfähigkeit schon wieder verloren, ihre Flügel in (sehr vogelähnliche) Rudimente umgewandelt.
    Die Archäopteryx kam also ein bißchen ›zu spät‹, und um 1950 glaubten Zoologen, sie vertrete wahrscheinlich eine primitive Entwicklungslinie von Reptilvögeln, die sich gehalten hatte, vielleicht zeitgleich mit viel vogelähnlicheren Wesen. Heute ergibt auch dieses Szenario keinen Sinn mehr. In letzter Zeit sind viele vogelähnliche Dinosaurier gefunden worden, Fossilien aus Südamerika und insbesondere Caudipteryx und Protoarchäopteryx aus China, und sie machen das Problem schwieriger.* [ * Manche Paläontologen halten jene Wesen allerdings nicht für gefiederte Dinosaurier, sondern für flugunfähige Vögel. John Ruben zufolge war Candipteryx bloß ›sozusagen ein kreidezeitlicher Truthahn‹. ] Sie haben Federn, aber sie flogen nicht . Sie haben keine Flügel, aber Arme mit Händen, manchmal nur mit zwei Fingergliedern.
    Wozu also ›dienten‹ die Federn?
    Federn sind wirklich bemerkenswert kompliziert. Sie ähneln überhaupt nicht den Schuppen von Echsen und Schlangen, und es ist nicht leicht, einen Entwicklungsweg zu ersinnen, auf dem Federn (wie übrigens auch Haare) aus Schuppen hervorgegangen sein könnten. Manche Biologen, die sich Federn nicht besonders gründlich angeschaut haben, stellen sich Schuppen vor, die so ähnlich wie die Fingernägel der Hexe im Theater wachsen, so daß sie wie die Schuppen eines Pangolins hervorragen. (Das ist das ›Fünfzehige Schuppentier‹, jenes auf Bäume kletternde, ameisenfressende Säugetier, welches wie ein großer Tannenzapfen aussieht.)
    Federn sind aber nicht so. Sie entwickeln sich als Zylinder: Man kann an einem gerupften Huhn im Supermarkt neu entstehende Federn sehen, die Stoppelfedern genannt werden. Die Schuppen an den Vogelbeinen sind

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