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Die Gelehrten der Scheibenwelt

Die Gelehrten der Scheibenwelt

Titel: Die Gelehrten der Scheibenwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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ist klein, nahe und bewegt sich schneller als ihr eigenes Licht. Das scheint keine schwerwiegenden Probleme mit sich zu bringen.
    Magie gibt es auch in unserer Welt, aber von anderer, weniger offensichtlicher Art. Sie ereignet sich in der Umgebung eines jeden, in all den kleinen Zusammenhängen, die wir nicht verstehen, sondern einfach hinnehmen. Wenn wir den Schalter betätigen und das Licht angeht. Wenn wir uns in den Wagen setzen und den Motor anlassen. Wenn wir alle diese unwahrscheinlichen und lächerlichen Dinge tun, durch die dank biologischer Zusammenhänge Kinder entstehen. Gewiß verstehen viele Leute – oft ziemlich genau und in Einzelheiten –, was auf bestimmten Gebieten vor sich geht, doch früher oder später erreichen wir alle unseren magischen Ereignishorizont. Clarkes Gesetz stellt fest, daß jede hochentwickelte, weit fortgeschrittene Technik wie Magie aussieht. Unter ›fortgeschritten‹ wird hier für gewöhnlich verstanden: ›wie sie uns von hochentwickelten Außerirdischen oder von Menschen aus der Zukunft gezeigt wird‹, wie wenn man Neandertalern Fernsehen zeigt. Doch wir sollten uns bewußt sein, daß das Fernsehen für fast alle seine heutigen Benutzer Magie ist – für die Leute hinter der Kamera wie für die, die vor dem beweglichen Bild in dem komischen Kasten auf dem Sofa sitzen. An einer bestimmten Stelle in dem Vorgang, um es mit den Worten des Karikaturisten S. Harris zu sagen, ›geschieht ein Wunder‹.
    Die Wissenschaft gewinnt die Aura von Magie, weil das Grundmuster einer Zivilisation nach einer Art narrativem Imperativ voranschreitet – es ergibt eine zusammenhängende Geschichte . Um 1970 hielt Jack in einer Schule einen Vortrag über ›Die Möglichkeit von Leben auf anderen Planeten‹.* [ * Jetzt als Buch erschienen: Evolving the Alien (Wie der Außerirdische entwickelt wird) von Jack Cohen und Ian Stewart. ] Er sprach von der Evolution, davon, woraus Planeten bestehen – alles, was man in so einem Vortrag erwartet. Die erste Frage kam von einem etwa fünfzehnjährigen Mädchen, das fragte: »Sie glauben an die Evolution, nicht wahr?« Der Lehrer wollte die Frage als ›unangebracht‹ übergehen, aber Jack antwortete trotzdem und sagte (ziemlich hochtrabend): »Nein, ich glaube nicht an die Evolution, wie die Leute an Gott glauben … Wissenschaft und Technik werden nicht von Leuten vorangebracht, die etwas glauben, sondern von Leuten, die etwas nicht wissen , aber ihr Bestes tun, um es herauszufinden … die Dampfmaschine … die Spinning Jenny … das Fernsehen …« Da war sie wieder auf den Füßen. »Nein, so ist das Fernsehen nicht erfunden worden!« Der Lehrer versuchte, den Disput zu mäßigen, indem er sie um eine Erklärung bat, wie denn ihrer Meinung nach das Fernsehen erfunden worden sei. »Mein Vater arbeitet bei Fisher Ludlow und preßt Stahlblech für Autokarrossen. Er wird bezahlt und gibt einen Teil des Geldes der Regierung, damit sie ihm Sachen verschafft. Er sagt der Regierung also, daß er fernsehen möchte, und sie bezahlen jemanden dafür, daß er das Fernsehen erfindet, und der tut es!«
    In diesen Irrtum kann man sehr leicht verfallen, weil sich die Technik weiterentwickelt, indem sie Ziele verfolgt. Wir erhalten den Eindruck, daß wir nur genug Mittel einzusetzen brauchen, um jedes beliebige Ziel zu erreichen. Dem ist nicht so. Wenn wir genug Mittel einsetzen, können wir alles erreichen, was in Reichweite unseres gegenwärtigen Wissensstandes liegt oder vielleicht, wenn wir Glück haben, ein kleines Stück dahinter. Doch niemand redet von den mißglückten Erfindungen. Niemand versucht Mittel für ein Projekt aufzutreiben, von dem man weiß, daß es unmöglich funktionieren kann. Kein Geldgeber wird Forschungsprojekte unterstützen, bei denen niemand weiß, wo begonnen werden soll. Wir könnten alles Geld dieser Welt in die Entwicklung von Antigravitation oder überlichtschnellen Raumflügen stecken und würden nichts erreichen.
    Wenn man eine Maschine auseinandernehmen und sehen kann, wie sie funktioniert, bekommt man ein deutliches Gefühl für die Beschränkungen, innerhalb derer sie arbeiten muß. In solchen Fällen wird man Wissenschaft und Magie nicht verwechseln. Die ersten Autos erforderten ein außerordentlich kraftaufwendiges Anlassersystem – man steckte eine große Kurbel in den Motor und mußte ihn buchstäblich ›anwerfen‹. Was der Motor beim Anlassen vollführte, war bekanntermaßen keine Magie. Im Lauf ihrer

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