Die Gelehrten der Scheibenwelt

bestätigt zu haben. Doch – wie immer – sind einfallsreiche Wissenschaftler auf alternative Erklärungen gekommen. 2001 stellten Csaba Csáki, John Terning und Nemanja Kaloper eine völlig andere Theorie auf, um die Beobachtungen zu erklären. Sie nehmen an, daß das Licht ferner Supernovae schwächer als erwartet ist, weil sich einige der Lichtteilchen – der Photonen – in etwas anderes verwandeln. Konkret verwandeln sie sich in ›Axionen‹, hypothetische Teilchen, die von mehreren der gegenwärtig modischen quantenmechanischen Theorien der Teilchenphysik vorhergesagt werden. Axionen sollen kaum mit anderer Materie in Wechselwirkung treten, weshalb sie schwer zu entdecken sind; wenn sie jedoch eine sehr kleine, aber von Null verschiedene Masse besitzen, dann wechselwirken sie mit intergalaktischen Magnetfeldern. Diese Wechselwirkung würde einen kleinen Teil der Photonen in Axionen umwandeln, und das würde das fehlende Licht erklären. Die am weitesten entfernten Supernovae könnten auf diese Weise sogar ein Drittel ihrer Photonen einbüßen.
    Es ist ein ernüchternder Gedanke, daß solch eine winzige Modifikation der bekannten Physik durch Einführung eines Teilchens, dessen Masse vernachlässigbar klein sein sollte, derart große Auswirkungen haben könnte. Jedenfalls ist entweder die Gravitation nicht so, wie wir es geglaubt haben, oder es gibt Axionen (wie erwartet), und sie haben eine Masse (wie nicht erwartet). Oder es gibt einen dritten Grund für die Beobachtungen, der noch niemandem eingefallen ist.
    Eine der Theorien der abstoßenden Kraft ist eine exotische Form der Materie, ›Quintessenz‹.* [ * Dieses Wort, welches ›fünfte Essenz‹ bedeutet, meinte ursprünglich ein fünftes Element nach Erde, Luft, Feuer und Wasser. Auf der Scheibenwelt spielt Überraschung diese Rolle. ] Das ist eine Form von Vakuumenergie, die den gesamten Raum durchzieht und negativen Druck ausübt. (Während wir das schreiben, können wir uns Ridcullys Gesichtsausdruck vorstellen. Wir werden ihn ignorieren müssen. Das ist nichts Vernünftiges wie etwa Zauberei. Es ist Wissenschaft. Der leere Raum kann voll Interesse sein.) Interessanterweise hatte Einstein ursprünglich eine derartige abstoßende Kraft in seine relativistischen Gravitationsgleichungen aufgenommen, er nannte sie die kosmologische Konstante. Später änderte er seine Meinung und strich die kosmologische Konstante, wobei er sich beklagte, es sei dumm von ihm gewesen, sie erst hereinzunehmen. Er starb in dem Glauben, das sei ein Makel auf seinem Werk, doch vielleicht hatte er es mit seiner ursprünglichen Intuition doch genau getroffen.
    Es sei denn, natürlich, daß Axionen existieren und eine Masse haben.
    Bei Einsteins Herangehensweise an die kosmologische Konstante ist die Quintessenz praktisch gleichmäßig über den Raum verteilt. Wenn sie es nun aber nicht ist? Gewöhnliche Materie ist klumpig, nicht gleichmäßig. David Santiago hat darauf hingewiesen, daß, wenn die Quintessenz ebenfalls klumpig ist, die Einsteinschen Gleichungen vorhersagen, daß das Universum ›Anti-Schwarze Löcher‹ enthalten könnte, die Materie abstoßen, statt sie zu verschlucken. Das ist nicht dasselbe wie die hypothetischen Weißen Löcher, die Materie ausstoßen. Es ist jedoch noch unklar, ob Anti-Schwarze Löcher stabil sein können. Gewöhnliche Materie ist klumpig, weil die Gravitation eine Anziehungskraft ist – sie bildet gern Klumpen. Antigravitation ist eine Abstoßungskraft, und nach der Analogie müßte sie Klumpen zerstören. Wenn dieses Argument richtig ist, dann sind Anti-Schwarze Löcher instabil und könnten überhaupt nicht entstehen. Sie wären mathematische Lösungen der Einsteinschen Gleichungen, aber keine, die physikalisch verwirklicht werden können. Bis jemand die notwendigen Berechnungen durchführt, können wir nicht sicher sein.

ELF
    Trau keinem gekrümmten Universum
    Ponder Stibbons hatte abseits der anderen einen Tisch für sich selbst aufgestellt und ihn mit vielen Apparaten umgeben, hauptsächlich deshalb, um sich denken zu hören.
    Alle wußten , daß Sterne Lichtpunkte waren. Andernfalls hätten einige größer als andere sein müssen. Nun, einige waren weniger hell als andere, aber das lag wahrscheinlich an den Wolken. Wie dem auch sei: Nach den bekannten Scheibenweltgesetzen bestand ihr Zweck darin, der Nacht ein wenig Stil zu verleihen.
    Außerdem wußten alle, daß eine gerade Linie dem natürlichen Bewegungsmuster aller