Die Gelehrten der Scheibenwelt
Quantenwellen hat und sie sich selbst überläßt, dann geraten die einzelnen Wellen aus dem Tritt und verschwimmen. Das ist es, was vom Quanten-Standpunkt aus ein klassisches Objekt ›wirklich‹ ist, und es bedeutet, daß sich Katzen tatsächlich wie Katzen verhalten. Experimente zeigen, daß das sogar zutrifft, wenn ein mikroskopisches Quantenobjekt die Rolle des Detektors spielt: Die Wellenfunktionen eines Photons können zusammenbrechen, ohne daß es zu dem Zeitpunkt von einem Beobachter registriert wird. Sogar bei der Quantenkatze tritt der Tod in dem Augenblick ein, da der Detektor feststellt, daß das Atom zerfallen ist. Es braucht kein Mensch dabei beteiligt zu sein.
Kurz gesagt, Erzkanzler, das Universum nimmt die Katze immer wahr. Und ein Baum im Wald verursacht beim Umstürzen ein Geräusch, auch wenn niemand in der Nähe ist. Der Wald ist immer da.
DREIZEHN
Nein, das kann es nicht
Erzkanzler Ridcully musterte seine Kollegen. Für die Besprechung hatten sie am langen Tisch im Großen Saal Platz genommen, denn im Forschungstrakt für hochenergetische Magie war es zu eng geworden.
»Sind alle da?« fragte er. »Gut. Nun, wir hören, Stibbons.«
Ponder blätterte in seinen Unterlagen.
»Ich … äh … habe um dieses Treffen gebeten, weil ich fürchte, daß wir viele Dinge falsch machen«, sagte er.
»Wie sollte so etwas möglich sein?« erwiderte der Dekan. »Immerhin ist es unser Universum!«
»Ja, Dekan. Und … äh … nein. Es hat seine eigenen Regeln festgelegt.«
»Nein, nein, das kann es nicht«, widersprach der Erzkanzler. »Wir sind intelligente Geschöpfe. Wir legen die Regeln fest. Irgendwelche Felsen sind dazu wohl kaum imstande.«
»Das stimmt nicht unbedingt, Herr«, sagte Ponder und verwendete diese Worte im traditionellen Sinn von ›Da irrst du dich gewaltig‹. »Es gibt einige Regeln im Projekt.«
»Wie ist das möglich?« fragte der Dekan. »Hat sich jemand anders eingemischt? Ist vielleicht ein Schöpfer aufgetaucht?«
»Eine interessante Frage, Herr. Leider fühle ich mich nicht qualifiziert, sie zu beantworten. Nun, ich möchte auf folgendes hinaus: Wenn wir irgend etwas Konstruktives leisten wollen, müssen wir die Regeln beachten.«
Der Dozent für neue Runen blickte auf den mittäglich gedeckten Tisch.
»Die Notwendigkeit dafür sehe ich nicht ein«, sagte er. »Messer und Gabel teilen mir nicht mit, wie ich zu essen habe.«
»Äh … In gewisser Weise doch, Herr. Auf Umwegen.«
»Willst du behaupten, die Regeln seien gewissermaßen eingebaut?« fragte Ridcully.
»Ja, Herr. Wie zum Beispiel: Große Felsen sind schwerer als kleine Felsen.«
»Das ist keine Regel, Mann, sondern gesunder Menschenverstand!«
»Ja, Herr. Allerdings … Je mehr ich mich mit dem Projekt befasse, desto unsicherer werde ich, was ›gesunder Menschenverstand‹ bedeutet. Herr, wenn wir eine Welt schaffen wollen, so muß sie eine Kugel sein. Eine große Kugel.«
»Das ist nichts weiter als altmodischer religiöser Unsinn, Stibbons.«* [ * Der Omnianismus lehrte über Tausende von Jahren hinweg, die Scheibenwelt sei eine Kugel, und er ließ alle jene verfolgen und bestrafen, die es vorzogen, ihren eigenen Augen zu trauen. Der reformierte Omnianismus räumt ein, daß man die Dinge aus verschiedenen Blickwinkeln sehen kann. ]
»Ja, Herr. Aber das Universum des Projekts existiert tatsächlich. Einige der von den Studenten geschaffenen Ku … Sphären sind ziemlich groß.«
»Ja, ich habe sie gesehen. Angeberei, wenn du mich fragst.«
»Ich dachte an etwas Kleineres, Herr. Und … und ich bin ziemlich sicher, daß die Dinge darauf verharren. Ich habe Experimente durchgeführt.«
»Experimente?« wiederholte der Dekan. »Wozu sollen die denn gut sein?«
Die Tür flog auf. Adrian Rübensaat, Ponders Assistent, eilte aufgeregt zum Tisch.
»Herr Stibbons! HEX hat etwas entdeckt!«
Die Zauberer drehten sich um und starrten ihn an. Er hob und senkte kurz die Schultern.
»Gold«, fügte er hinzu.
»Die Alchimistengilde wird sich nicht darüber freuen«, sagte der Oberste Hirte, als sich die ganze Fakultät am Projekt zusammendrängte. »Ihr wißt ja, welchen Wert sie auf klare Abgrenzungen der Zuständigkeitsbereiche legt.«
»Na schön«, brummte Ridcully und steuerte das Omniskop. »Wir geben den Alchimisten einige Minuten Zeit, hier zu erscheinen und ihre Beschwerden vorzutragen. Anschließend machen wir weiter wie bisher, einverstanden?«
»Wie können wir das Gold da
Weitere Kostenlose Bücher