Die Gelehrten der Scheibenwelt
kaum helfen könnten, so etwas wie Ökonomie zu verstehen. Wir möchten jemanden verstehen, der in einen Laden geht, ein paar Bananen kauft und etwas Geld dafür bezahlt. Wie kommen wir von den Teilchenregeln dorthin? Wir müssen eine Gleichung für jedes Teilchen im Körper des Kunden aufschreiben, für die Teilchen in den Bananen, in der Banknote, die der Kunde dem Kassierer gibt. Unsere Beschreibung des Handels – Geld für Bananen – und unsere Erklärung dafür erfolgen in den Begriffen einer unglaublich komplizierten Gleichung über Elementarteilchen.
Diese Gleichung zu lösen, ist noch schwerer. Und womöglich kauft der Kunde auch noch was anderes.
Wir behaupten nicht, daß das Universum es nicht auf diese Weise getan hat. Wir sagen, daß wir auch dann noch längst nichts verstünden, wenn es es dergestalt getan hätte. Es gibt also eine große hervortretende Lücke zwischen der Theorie von Allem und ihren Folgen.
Viele Philosophen scheinen auf den Gedanken verfallen zu sein, daß in einem emergenten Phänomen die Kausalkette unterbrochen sei. Wenn unsere Gedanken emergente Eigenschaften unseres Gehirns sind, so meinen viele Philosophen, sie seien nicht physikalisch von den Nervenzellen, den elektrischen Strömen und den Chemikalien im Gehirn verursacht. Wir teilen diese Ansicht nicht. Wir halten sie für wirrköpfigen Unsinn. Wir sind vollauf zufrieden, daß unsere Gedanken von diesen physikalischen Wesenheiten verursacht werden, doch man kann die Wahrnehmungen oder Erinnerungen eines Menschen nicht in Begriffen von elektrischen Strömen und Chemikalien beschreiben.
Menschen verstehen Dinge niemals auf diese Weise. Sie verstehen Dinge, indem sie sie vereinfachen – im Falle von Erzkanzler Ridcully: je einfacher, um so besser. Ein bißchen Narrativium kann es weit bringen: je einfacher die Geschichte, um so verständlicher. Geschichtenerzählen ist das Gegenteil des Reduktionismus: Zwei, drei Dutzend Buchstaben und ein paar Grammatik-Regeln sind überhaupt keine Geschichte.
Ein Ensemble von modernen physikalischen Regeln wirft mehr Fragen auf als alle anderen zusammen: die Quantenmechanik. Newtons Regeln erklärten das Universum in Begriffen von Kraft, Ort, Geschwindigkeit und dergleichen – Dinge, die für Menschen intuitiv Sinn haben und zum Erzählen guter Geschichten anregen. Vor ein, zwei Jahrhunderten wurde aber klar, daß es weiter unten in der Struktur des Universums andere, weniger intuitive Schichten gibt. Konzepte wie Ort und Geschwindigkeit hörten nicht nur auf, grundlegend zu sein, sie hatten überhaupt keine genau definierte Bedeutung mehr.
Diese neue Ebene der Erklärung, die Quantentheorie, sagt uns, daß in kleinem Maßstab die Regeln zufällig sind. Anstatt daß etwas geschieht oder nicht geschieht, kann es ein bißchen von beidem tun. Leerer Raum wimmelt von potentiellen Dingen und Ereignissen, und Zeit ist etwas, was man borgen und zurückzahlen kann, wenn man es schnell genug tut, damit das Universum es nicht merkt. Und die Heisenbergsche Unschärferelation besagt: Wenn man weiß, wo sich etwas befindet, dann kann man nicht gleichzeitig wissen, wie schnell es sich bewegt. Ponder Stibbons würde sich glücklich schätzen, wenn er das seinem Erzkanzler nicht zu erklären brauchte.
Eine gründliche Diskussion der Welt der Quanten würde allein ein ganzes Buch erfordern, doch es gibt einen Gegenstand, der von gewissen Erkenntnissen der Scheibenwelt profitiert. Das ist der bekannte Fall von der Katze im Kasten. Quantenobjekte folgen der Schrödingergleichung, einer nach Erwin Schrödinger benannten Regel, die erklärt, wie sich ›Wellenfunktionen‹ – die Wellen, die die Existenz von Quantenobjekten beschreiben – in Raum und Zeit ausbreiten. Atome und ihre subatomaren Bestandteile sind eigentlich keine Teilchen: Sie sind Wellenfunktionen mit Quantencharakter.
Die Pioniere der Quantenmechanik hatten genug Schwierigkeiten, Schrödingers Gleichung zu lösen – sie wollten sich nicht auch noch den Kopf zerbrechen, was sie bedeutete . Also schusterten sie rasch eine Rückzugsklausel zusammen, die ›Kopenhagener Interpretation‹ der Quantenbeobachtungen. Sie besagt, daß jedesmal, wenn man eine Quanten-Wellenfunktion zu beobachten versucht, sie sofort ›zusammenbricht‹ und eine einzelne teilchenartige Antwort ergibt. Das scheint den Geist des Menschen in einen besonderen Status zu erheben; es ist sogar die Ansicht geäußert worden, daß unser Zweck im Universum darin
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