Die Gelehrten der Scheibenwelt
macht.
Was muß eine Theorie für die Bildung des Sonnensystems erklären? Zunächst einmal natürlich die Planeten – neun davon, ziemlich zufällig im Raum verstreut: Merkur, Venus, Erde, Mars, Jupiter, Saturn, Uranus, Neptun, Pluto. Sie muß deren Größenunterschiede erklären. Der Merkur hat einen Durchmesser von gerade eben 4878 km, während es der Jupiter auf 142 800 km bringt – das Neunundzwanzigfache an Durchmesser und ein 24 000mal größeres Volumen, ein enormer Unterschied. Diese Theorie muß die Unterschiede in der chemischen Zusammensetzung der Planeten erklären: Der Merkur besteht aus Eisen, Nickel und Silikatgestein, der Jupiter aus Wasserstoff und Helium. Sie muß erklären, warum die Planeten in Sonnennähe generell kleiner als weiter draußen in der Kälte und Dunkelheit sind, ausgenommen Pluto. Wir wissen nicht viel über den Pluto, doch das meiste, was wir wissen, ist sonderbar. Zum Beispiel liegen alle anderen Planeten ziemlich nahe an ein und derselben Ebene, in der auch der Mittelpunkt der Sonne liegt, Plutos Umlaufbahn hat dagegen einen merklichen Neigungswinkel dazu. Alle anderen Planeten haben Bahnen, die Kreisen ziemlich nahe kommen, die Plutobahn aber ist langgestreckter – so sehr, daß er der Sonne manchmal näher als der Neptun kommt.
Doch das ist nicht alles, was eine Theorie über den Ursprung des Sonnensystems richtig erklären muß. Die meisten Planeten werden ihrerseits von kleineren Körpern umkreist – dazu gehören unser eigener guter alter Mond, Phobos und Deimos, die beiden kleinen Marsmonde, die 16 Satelliten des Jupiter, die 17 des Saturn … Sogar der Pluto hat einen Begleiter namens Charon, und das ist wieder so eine sonderbare Sache. Saturn übertrumpft sie noch und hat ganze Ringe von kleineren Körpern, die ihn umgeben, ein breites, dünnes Band von umlaufenden Steinen, das in eine Myriade abgegrenzter Einzelringe zerfällt, mit einigen Monden dazwischen wie auch gewöhnlicheren Monden an anderen Stellen. Dann gibt es die Planetoiden, Tausende von kleinen Körpern, manche kugelförmig wie Planeten, manche unregelmäßige Felsbrocken, von denen die meisten Umlaufbahnen zwischen Mars und Jupiter haben – ausgenommen einige wenige, die das nicht tun. Es gibt Kometen, die aus der riesigen ›Oortschen Wolke‹ weit jenseits der Plutobahn auf die Sonne zustürzen – einer Wolke, die Billionen von Kometen enthält. Es gibt den Kuiper-Gürtel, der ein wenig dem Planetoidengürtel ähnelt, aber jenseits der Plutobahn liegt: Wir kennen jetzt über dreißig Körper dort draußen, aber wir vermuten, daß es Hunderttausende sind.
Diese Körper sind als ›Kuiper-Gürtel-Objekte‹ oder KGOs bekannt. Vor ein paar Jahren gab es großen Aufruhr, weil ein paar Astronomen den Pluto vom Planeten zum KGO umdefinieren wollten. Dem Pluto wäre es wahrscheinlich egal gewesen, nicht aber einer Riesenmenge von Lehrbuchverlagen. Die wissenschaftlichen Argumente waren stark: Pluto ist in fast jeder Hinsicht absonderlich, wie wir eben gesehen haben, und könnte ohne weiteres ein KGO sein, das sich infolge von Bahnstörungen durch andere Körper zufällig in die äußeren Bereiche des Planetensystems verirrt hat. Das wäre dann die Erklärung, warum er so absonderlich ist. Andere Astronomen widersprachen diesem Vorschlag entschieden – aus sentimentalen Gründen, aus historischen oder weil wir nicht sicher wissen, daß Pluto ein abgeirrtes KGO ist. Am Ende verblieb Pluto auf der Liste der Planeten. Ob er diesen Status aber noch lange halten kann, ist ungewiß. Dann gibt es noch Meteoriten, Felsbrocken unterschiedlicher Größe, die unberechenbar überall in dem ganzen Ding unterwegs sind …
Überdies ist jeder dieser Himmelskörper ein Einzelstück. Der Merkur ist ein glühendheißer kraterübersäter Felsbrocken. Die Venus hat eine Schwefelsäure-Atmosphäre, rotiert im Vergleich zu fast allem anderen im Sonnensystem falsch herum, und man glaubt, daß sie sich so etwa alle hundert Millionen Jahre in einer ausgedehnten, planetenweiten Woge von vulkanischer Aktivität eine neue Oberfläche zulegt. Die Erde besitzt Ozeane und trägt Leben; da wir auf ihr leben, finden wir sie geeigneter als alle anderen Planeten, doch die meisten Außerirdischen wären wahrscheinlich entsetzt über ihre tödliche, giftige, korrodierende Sauerstoffatmosphäre. Der Mars hat felsdurchsetzte Wüsten und Trockeneis an den Polen. Der Jupiter ist ein Gasriese mit einem Kern von Wasserstoff, der so
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