Die Gelehrten der Scheibenwelt
den Objektträger zur Beobachtung vor. Ganz einfach …
Doch das Unternehmen verkaufte kein Mikrotom, sondern eine Vorrichtung, die den Wachsblock kühl halten sollte, während das Mikrotom ihn zerschnitt, so daß die von der Reibung erzeugte Wärme nicht bewirkte, daß sich das Wachs schwer schneiden ließ und feine Einzelheiten der Probe beschädigt wurden.
Ihre Lösung für das Problem war ein großer konkaver (schüsselförmiger) Spiegel. Man sollte einen kleinen Stapel von Eiswürfeln errichten und ›die Kälte auf die Probe fokussieren‹.
Vielleicht finden Sie daran nichts Besonderes. In diesem Fall werden Sie wohl von der ›Ausbreitung der Unwissenheit‹ sprechen und abends die Übergardinen zuziehen, um ›die Kälte draußen zu halten‹ – und die Finsternis.* [ * Und wenn dem so ist: Gratulation! Sie sind ein Mensch und denken narrativ. ]
Auf der Scheibenwelt hat so etwas Sinn. Viele Dinge sind auf der Scheibenwelt Wirklichkeit, die in unserer Welt reine Abstraktionen sind. Tod zum Beispiel. Und Dunkelheit. Auf der Scheibenwelt kann man sich über die Dunkelgeschwindigkeit Gedanken machen und wie Dunkelheit dem Licht ausweicht, das mit etwa 960 Kilometern pro Stunde auf sie zu rast.* [ * Das Licht breitet sich auf der Scheibenwelt etwa mit derselben Geschwindigkeit wie der Schall aus. Das scheint weiter keine Probleme zu bereiten. ] In unserer Welt wird solch ein Konzept ein ›Privativum‹ genannt – die Abwesenheit von etwas. Und in unserer Welt haben Privativa keine Eigenexistenz. Wissen existiert, Unwissenheit aber nicht; Wärme und Licht existieren, aber nicht Kälte und Dunkelheit. Nicht als Dinge .
Wir sehen, daß der Erzkanzler verwundert dreinschaut, und uns wird klar, daß wir es hier mit etwas zu tun haben, das ziemlich tief in die menschliche Psyche reicht. Ja, man kann auf den Tod frieren, und ›Kälte‹ ist ein gutes Wort, um die Abwesenheit von Wärme zu bezeichnen. Ohne Privativa würden wir reden wie die Hülsenmenschen vom Planeten Zog. Wir geraten aber in Schwierigkeiten, wenn wir vergessen, daß wir sie als bequeme Abkürzung benutzen.
In unserer Welt gibt es eine Menge Grenzfälle. Ist ›betrunken‹ oder ›nüchtern‹ das Privativum? Auf der Scheibenwelt kann man ›knurd‹ werden, was soweit auf der anderen Seite von ›nüchtern‹ liegt, wie ›betrunken‹ auf der Seite des Alkoholeinflusses,* [ * Und es ist wirklich schrecklich, so ähnlich wie fürchterliche Depressionen. Daher das Leiden von Hauptmann Mumm in Wachen! Wachen!, der ein paar Drinks braucht, einfach um nüchtern zu werden. ] doch auf dem Planeten Erde gibt es nichts dergleichen. Im Großen und Ganzen glauben wir zu wissen, welcher Teil eines solchen Paars existiert und welcher einfach eine Abwesenheit ist. (Wir stimmen für ›nüchtern‹ als das Privativum. Es ist die Abwesenheit von etwas zu Trinken und für gewöhnlich der Normalzustand eines Menschen.* [ * Nun ja … der meisten Menschen. ] Eigentlich wird der Normalzustand nur Nüchternheit genannt, wenn es ums Trinken geht. Daran ist nichts Verwunderliches. ›Kälte‹ ist schließlich der Normalzustand des Universums, obwohl sie als Ding nicht existiert. Äh … In der Frage können wir dir nichts mehr beibringen, nicht wahr, Erzkanzler?)
Man muß denken, wenn unsere Sprache uns nicht zum Narren halten soll. Manchmal jedenfalls hören wir auf zu denken, wie ›die Kälte fokussieren‹ zeigt.
Das haben wir früher auch schon getan. Zu Beginn des Buches haben wir das Phlogiston erwähnt, das die frühen Chemiker für den Stoff hielten, der Dinge brennen läßt. Das mußte es ja wohl tun: Man konnte sehen, wie das Phlogiston als Flamme herauskam , um Himmels willen. Allmählich jedoch sammelten sich Indizien an, die die gegensätzliche Ansicht stützten. Beispielsweise wiegen Dinge mehr, nachdem sie gebrannt haben, als zuvor, also schien das Phlogiston negatives Gewicht zu haben. Womöglich halten Sie das für falsch: Gewiß wiegt die Asche, die von einem verbrannten Holzscheit übrigbleibt, viel weniger als das Scheit, wer würde sich sonst die Mühe machen, Abfall zu verbrennen? Aber eine Menge von dem Scheit geht in Rauch auf, und der Rauch wiegt einiges; er steigt nicht auf, weil er leichter als Luft wäre, sondern weil er heiß ist. Und sogar wenn er leichter als Luft wäre, so hat Luft doch auch ein Gewicht. Und außer Rauch gibt es da noch Dampf und derlei Zeug. Wenn man einen Holzklotz verbrennt und alle Gase,
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