Die Geliebte des gelben Mondes (German Edition)
„Dann könnten wir endlich zusammen leben, wie wir es uns schon immer
gewünscht haben.“ Meine Augen leuchteten glücklich über den schönen Gedanken.
Bao musste bei meinem Anblick lächeln. „Ja, darauf
freue ich mich schon seit Jahren“, sagte er. „Wir werden sehen, was dieses
Treffen bringt.“ Und mit Nachdruck sagte er: „Ich bitte dich, während meiner
Abwesenheit hier im Zelt zu bleiben, bis ich zurückkomme.“
Die Männer waren sehr bald losgeritten und ich
hatte den Pferden vom Zelt aus nachgesehen. Ich war froh, die Zeit
zurückgezogen verbringen zu können. Viele der Männer traten mir nach wie vor
eher argwöhnisch entgegen, und ich fürchtete mich vor einigen, die besonders
raubeinig aussahen und nichts anderes im Kopf hatten als Krieg und Frauen. Tagsüber
ging jeder im Lager seiner Arbeit nach. Doch ich war – abgesehen von den
Prostituierten, die jeden Abend die Soldaten besuchten – die einzige Frau im
Lager. Auf keinen Fall wollte ich versehentlich mit einer dieser Frauen
verwechselt werden.
Ich nutzte die Einsamkeit, die vergangenen Wochen
und Monate Revue passieren zu lassen. Was hatte ich nicht alles erleben und
erleiden müssen in all den Jahren! Die diplomatischen Gespräche, die nun
geführt wurden, machten mir große Hoffnung, dass bald alles gut werden würde.
Einem Leben mit Bao als normales Paar stand anscheinend nicht mehr viel im
Wege, denn er hatte mir wieder bestätigt, dass er aus dem Dienste des Kaisers
ausscheiden werde, sobald der Krieg beendet war. Schon damals am Hofe in
Dongjing und später auch in Qin war das sein Plan gewesen, doch hatten wir es
uns damals weitaus schwieriger vorgestellt. Jetzt hatte ich den einengenden
Mauern des Palastes bereits den Rücken gekehrt und konnte unerkannt ein
normales Leben führen, wie ich es mir schon immer gewünscht hatte. Glücklich
über diese wundervollen Aussichten ging ich zu Bett und war bald eingeschlafen.
Ein Knacken weckte mich. Mir war, als hörte ich jemanden
um das Zelt schleichen, doch beim näheren Hinhören vernahm ich das typische
Geräusch, das dem Eintreffen der Prostituierten nach wenigen Minuten folgte. In
einiger Entfernung hörte ich wildes Lachen und Rufen. Es wurde offensichtlich
ausgiebig gefeiert. Müde legte ich meinen Kopf wieder auf die Matte und war im
Begriff, wieder in Träume zu versinken, als sich plötzliche eine Hand über
meinen Mund legte. Ich wollte schreien, doch eine Frauenstimme sprach
beruhigend auf mich ein.
„Schhhht! Ich habe eine Nachricht für dich.“
„Wer bist du?“, fragte ich.
„Das tut nichts zur Sache.“ Die Frau streckte mir
einen Zettel entgegen. „Hier. Soll ich dir geben.“
„Von wem?“
„Von deinem Liebsten. Ich habe beobachtet, wie man
ihn und die anderen überfallen hat. Schnell. Ich kann dich zu ihm bringen.“
Auf dem Zettel stand in hektischen Schriftzeichen
„Diese Frau bringt dich in Sicherheit“ geschrieben.
Panik stieg in mir hoch. Kopflos suchte ich nach
meinen Sachen und folgte der unbekannten Frau. Nicht einen Moment war mir der
Gedanke gekommen, es könnte sich um eine Falle handeln. Blauäugig schlich ich
hinter ihr her. Ich hatte nicht den weiten Weg gemacht, dass man mir Bao
schließlich doch nahm…
Die Frau legte mir ein Tuch über den Kopf und
schleuste mich durch die vielen Männer, die nach mir griffen.
„Nichts gibt’s mehr heute, ihr geilen Böcke“,
lachte die Frau. „Wir brauchen eine Pause. Morgen kommen wir wieder.“
Es war nicht zu fassen, wie leicht wir aus dem
Lager spazieren konnten. Draußen liefen wir in die Dunkelheit. Schließlich
blieben wir stehen. Um mich herum waren plötzlich drei oder vier Personen – so
viel konnte ich noch erkennen – doch schon im nächsten Moment atmete ich einen
beißenden Geruch ein und war kurz darauf nicht mehr bei Bewusstsein.
„Hilfe“ war mein letzter Gedanke.
***
Bao und seine Männer kamen gut voran. Ketùn kannte
den Weg zum Fluss sehr gut, war er doch erst vor wenigen Wochen hier gewesen,
als er „seine“ Shao-Ma gefunden hatte. Alles, was ihn an sie erinnerte und an
die Tage, in denen er sich noch Hoffnungen gemacht hatte, schmerzte ihn und er
musste sich sehr konzentrieren, dieses Gefühl zu unterdrücken. Es gab Momente,
in denen er Bao verfluchte, weil er ihm nicht die Wahrheit über diese Frau sagen
wollte. Ketùn hatte noch immer nicht herausfinden können, was es mit ihr auf
sich hatte.
Die Luft war noch frisch, denn es war früh
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